Studien & Gutachten

Fahrende Lebensweise: Der spontane Halt

Gefahr einer strukturellen Diskriminierung

Abstract

Der spontane Halt ist unter Druck. Für Fahrende wird es immer schwieriger, Plätze für einen vorübergehenden Aufenthalt zu finden. Ursache sind Vorurteile gegenüber der fahrenden Lebensweise, negative Erfahrungen mit irregulären Halten grosser Gruppen und zunehmende Einschränkungen durch Behörden.

Publiziert am 22.09.2021

Der spontane Halt: ein Grundelement der fahrenden Lebensweise

Die Schweizer Fahrenden sind im Rahmen des Europäischen Minderheiten­übereinkommens als "Nationale Minderheit" anerkannt. Die Behörden sind somit verpflichtet, die besonderen Bedürfnisse der Fahrenden in der Gesetzgebung und in der Praxis zu berücksichtigen. Zu diesen Bedürfnissen gehört der spontane Halt: Es handelt sich dabei um den vorübergehenden Halt einer kleineren Gruppe von Fahrenden ausserhalb offizieller Plätze, in der Regel auf privatem Grund und mit Einwilligung der Grundstücksberechtigten. Er gilt als traditionelle Form der fahrenden Lebensweise und unterscheidet sich grundlegend vom sonstigen "Campieren". Für Fahrende wird es immer schwieriger, Plätze für solche Spontanhalte zu finden.

In seiner neuen Studie "Fahrende Lebensweise: Der spontane Halt" analysiert das SKMR die Rechtslage rund um den spontanen Halt und gibt anschliessend Empfehlungen ab, wie die Behörden die rechtlichen Regelungen zum Spontanhalt ausgestalten könnten.

Viele Rechtsgebiete betroffen

Der spontane Halt berührt verschiedenste Rechtsgebiete, vom Bau- und Planungsrecht über Campingverbote bis hin zur Umweltgesetzgebung. Gesetze und Praxis orientieren sich in aller Regel an der sesshaften Lebensweise. Sie dürfen Fahrende weder direkt noch indirekt diskriminieren. Zudem dürfen die Behörden die fahrende Lebensweise, die durch Freiheitsrechte der Bundesverfassung geschützt ist, nicht unverhältnismässig einschränken.

Das Zusammenspiel von Verboten bewirkt eine strukturelle Diskriminierung

Regulierungen, die den Spontanhalt einschränken, erschweren die fahrende Lebensweise. Einzelne Einschränkungen in Gemeinden können je für sich genommen durchaus gerechtfertigt sein. Im Zusammenspiel wirken sie sich aber teilweise stark benachteiligend auf die Fahrenden aus: Ihnen ist es in einzelnen Regionen nur noch unter erschwerten Bedingungen oder gar nicht mehr möglich, ihre fahrende Lebensweise zu pflegen. So ergibt sich eine strukturelle Diskriminierung der fahrenden Lebensweise. Hier sind insbesondere die Kantone gefordert, in Zusammenarbeit mit den Gemeinden tragfähige Lösungen zu finden.

Handlungsempfehlung

Das SKMR richtet in der Studie verschiedene Handlungsempfehlungen an die Behörden, um der strukturellen Diskriminierung vorzubeugen und den spontanen Halt rechtlich sicherzustellen. Zu empfehlen ist insbesondere eine Regelung auf kantonaler Ebene, die den spontanen Halt auf Privatgrundstücken unter bestimmten Voraussetzungen grundsätzlich bewilligungsfrei erlaubt. Dazu kommen Empfehlungen zu einzelnen Rechtsgebieten wie z.B. Vorgaben im Raumplanungsgesetz zum Spontanhalt und zur Schaffung von Standplätzen sowie zur Zulässigkeit polizeilicher Einschränkungen der Dauer und Periodizität einzelner Halte.

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