Studien & Gutachten

Menschenrechte in Untersuchungshaft

Update zur Studie "Untersuchungshaft – Menschenrechtliche Standards und ihre Umsetzung in der Schweiz" vom Mai 2015

Abstract

Personen in Untersuchungshaft gelten als unschuldig. Ihre Freiheit darf nicht mehr eingeschränkt werden als unbedingt nötig. 2015 zeigte eine Studie des SKMR, dass dies in der Schweiz nur ungenügend umgesetzt wurde. Heute ist die Situation besser – zumindest in einigen Kantonen.

Publiziert am 30.11.2022

2015: Einzelhaft mit starker Einschränkung der Kommunikation

Personen in Untersuchungshaft gelten gemäss dem Unschuldsgrundsatz als unschuldig. In Verbindung mit dem Prinzip der Verhältnismässigkeit heisst das: Ihre Freiheit darf nur so weit eingeschränkt werden, wie es notwendig ist, um Flucht oder Kollusion (Verdunkelung) zu verhindern oder die Ordnung und Sicherheit in der Haftanstalt zu gewährleisten. Im Jahr 2015 gelangte das SKMR in einer Studie zum Befund, dass diesen Grundsätzen in vielen Kantonen nicht oder nicht genügend Rechnung getragen wurde. Beispielsweise war die Untersuchungshaft in den meisten Kantonen als Einzelhaft ausgestaltet, und die Kommunikation mit der Aussenwelt war äusserst rigide geregelt.

2022: Nur wenige neue internationale Standards, aber Entwicklungen in den Kantonen

Wie ist die Situation aktuell, d.h. sieben Jahre später zu beurteilen? Das vorliegende Update fasst die Entwicklung der internationalen Standards zusammen und evaluiert die Rechtsetzung und Haftpraxis in den Kantonen, die bereits 2015 untersucht wurden. Namentlich beschäftigt sich die Aktualisierung mit den Bereichen Hafteintritt, soziale Kontakte zur Aussenwelt und innerhalb der Anstalt, Beschäftigung und Freizeitgestaltung sowie medizinische Versorgung.

Gruppenvollzug, Telefonate und Besuche ohne Trennscheibe

Die Untersuchung zeigt, dass viele Kantone inzwischen die Haftbedingungen der Untersuchungshaft angepasst haben. Dem Verhältnismässigkeitsprinzip wird nun grösseres Gewicht beigemessen. Beispielsweise können die Inhaftierten heute nach Wegfall der Kollusionsgefahr, resp. nach einer bestimmten Haftdauer, von den Vorteilen des Gruppenvollzugs profitieren. Auch der Kontakt zur Aussenwelt wird erleichtert, d. h. Inhaftierte können mit Angehörigen telefonieren und diese ohne Trennscheibe empfangen.

Säumige Kantone in der Pflicht

Im Vergleich zu 2015 treten die Unterschiede zwischen den Kantonen heute stärker hervor. In gewissen Kantonen werden Inhaftierte in der Untersuchungshaft weiterhin 23 Stunden pro Tag in der Zelle eingeschlossen, können Besucher*innen nur hinter Trennscheiben empfangen und haben kaum Beschäftigungs- und Arbeitsmöglichkeiten. Wie die neue Praxis vieler Kantone zeigt, lassen sich aber Rechtskonformität und Praxistauglichkeit der Haftbedingungen oft auch ohne bauliche Anpassung in Übereinstimmung bringen. Die säumigen Kantone haben daher möglichst ohne Verzug ihre rechtswidrige Praxis den Vorgaben des übergeordneten Rechts anzupassen.

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