Artikel

Leihmutterschaft aus menschenrechtlicher Sicht

Das Kindeswohl und die Beachtung der weiteren Kinderrechte als ausschlaggebende Beurteilungskriterien

Abstract

Autorinnen: Christina Hausammann, Nicole Hitz Quenon

Publiziert am 11.05.2015

Bedeutung für die Praxis:

  • Leihmutterschaft ist in der Schweiz, wie in der Mehrheit der europäischen Staaten, verboten. Das Verbot verhindert jedoch nicht die Anerkennung des im Ausland zustande gekommenen Kindesverhältnisses in der Schweiz.
  • Im Falle einer Leihmutterschaft sind die verschiedenen involvierten Menschenrechtspositionen der Beteiligten zu beachten. Im Vordergrund stehen dabei die Rechte des Kindes (insbesondere das Recht auf Privatheit und Schutz seines Familienlebens, das übergeordnete Kindeswohl, das Recht auf Kenntnis der Abstammung sowie der Schutz vor Kinderhandel).
  • Art. 8 EMRK (Wohl des Kindes, Garantie der Familienbeziehungen des Kindes, Recht auf Identität und Kenntnis seiner Abstammung) gibt dem Kind gemäss der Praxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ein grundsätzliches Recht auf Anerkennung des Kindesverhältnisses zu biologisch verwandten Wunscheltern. Diese darf nicht mit dem Verweis auf den Ordre public verweigert werden. Ein Verbot der Leihmutterschaft darf nicht so ausgestaltet sein, dass dem Kind daraus erhebliche Nachteile erwachsen.
  • Ein Eingriff in das bestehende Familienleben zwischen den Wunscheltern und dem von einer Leihmutter geborenen Kind darf nur mit der Gefährdung des Kindes begründet werden. Die Verletzung des Ordre public stellt keinen solchen Grund dar.
  • Die Schweiz hat die im Ausland rechtmässig ausgestellte Geburtsurkunde gemäss dem internationalen Privatrecht anzuerkennen, sofern eine ebenfalls rechtmässige Verzichtserklärung der Leihmutter und deren Ehegatten vorliegt.
  • Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung muss im Falle einer Leihmutterschaft gewährleistet werden. Das Verwaltungsgericht St. Gallen hat diesbezüglich einen Weg vorgezeichnet. Die höchstrichterliche Überprüfung des Urteils steht allerdings noch aus.
  • Bemühungen auf europäischer und universeller Ebene, die mit der Leihmutterschaft verbundenen Probleme herauszuarbeiten und eine internationale Regelung zu entwickeln, sind im Gange und könnten in Zukunft Gewähr bieten, dass den verschiedenen involvierten Menschenrechten Rechnung getragen werden kann.

Einleitung

Unter einer «Leihmutter» versteht das Bundesgesetz über die medizinische Fortpflanzung (Art. 2 Bst. k FMedG) «eine Frau, die bereit ist, durch ein Fortpflanzungsverfahren ein Kind zu empfangen, es auszutragen und nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen». Das aufgrund einer Leihmutterschaft geborene Kind kann somit gleichzeitig drei Mütter haben: Die Leihmutter, die Auftraggeberin (in der Folge «Wunschmutter» genannt) sowie die genetische Mutter (Eispenderin), wobei die Wunschmutter mit der genetischen Mutter identisch ist, wenn die Eispende von der Wunschmutter stammt. Ebenfalls können zwei oder drei Väter involviert sein: erstens ein allfälliger Ehemann der Leihmutter (wegen der gesetzlichen Vaterschaftsvermutung), zweitens der Wunschvater, der entweder gleichzeitig der Samenspender ist, oder andernfalls drittens ein – anonymer – Samenspender.

Diese Konstellation sprengt das herkömmliche Rechtsverständnis, das von der Annahme ausgeht, dass die Mutter immer sicher bestimmbar ist («mater semper certa est»; siehe dazu Art. 252 ff. ZGB) und wirft – neben den ethischen – zahlreiche schwierig zu lösende rechtliche Fragen auf. Wird das Kindesverhältnis zu den Wunscheltern nicht anerkannt, kann dies unter Umständen dazu führen, dass das Kind rechtlich elternlos bleibt und damit weder eine Staatsangehörigkeit noch die Möglichkeit besitzt, Kenntnisse über seine Abstammung zu erhalten.

Die Leihmutterschaft ist in den meisten europäischen Ländern verboten. Einige erlauben sie unter bestimmten, einschränkenden Bedingungen (z.B. die Niederlande oder Grossbritannien) und lassen die nicht-kommerzielle, uneigennützige Leihmutterschaft zu. In einigen Ländern wird sie ohne entsprechende Regelung toleriert (z.B. Belgien oder Polen) und in weiteren Ländern (z.B. Russland oder Ukraine) wird sie durch eigentliche Leihmutterschaftsfirmen legal betrieben. Die kommerzielle Leihmutterschaft ist sodann explizit in verschiedenen Gliedstaaten der USA zugelassen.

Tatsache ist, dass ungeachtet des Verbots in der Schweiz eine Nachfrage nach Leihmutterschaft besteht. Mit deren Hilfe erfüllen sich zunehmend Paare, die selber keine Kinder bekommen können und/oder die Voraussetzungen zur Adoption nicht erfüllen, ihren Kinderwunsch im Ausland. Dies trifft insbesondere auch auf gleichgeschlechtliche Paare zu, denen gemäss Partnerschaftsgesetz (Art. 28 Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare) die Adoption grundsätzlich verboten ist.

Der International Social Service (ISS) schätzte 2013, dass jährlich weltweit bereits rund 20‘000 Kinder von einer Leihmutter geboren werden – Anzahl steigend. Für die Schweiz sind keine Zahlen bekannt. Der Bundesrat erwähnt in seinem Bericht zur Leihmutterschaft von 2013, den er aufgrund des Postulats Fehr, erstellt hat, 10 bekannte bzw. aktenkundige Fälle. Weitere Fälle seien in den Medien dokumentiert worden. So wurde z.B. 2012 gemeldet, dass zwei ukrainische Vermittlungsstellen rund 50, respektive mehrere Dutzend Schweizer Wunscheltern betreut hätten. Der Bundesrat geht denn auch von einer hohen Dunkelziffer aus. Gemäss dem Bericht würden junge Paare mit einem im Ausland geborenen Kind in der Regel ohne Schwierigkeiten in die Schweiz einreisen, und das Kindesverhältnis werde nur hinterfragt, wenn konkrete Verdachtsmomente vorlägen (z.B. wenn eine Geburtsurkunde keine oder zwei Mütter ausweist oder wenn eine Mutter, die das gebärfähige Alter offensichtlich überschritten hat oder Visa vorgelegt werden, die nahelegen, dass eine schwangere Frau zwei Wochen vor dem Entbindungstermin eine längere Flugreise unternommen hat etc.). Als Zielland für eine Leihmutterschaft stünden Georgien, Indien, die Ukraine und die USA sowie Südafrika und Russland im Vordergrund.

Menschenrechtliche Normen

Die Leihmutterschaft wirft aus Sicht der Menschenrechte verschiedene Fragen auf. Sowohl die Leihmutter als auch die Wunscheltern können sich auf das Selbstbestimmungsrecht berufen, wie es insbesondere aus Art. 17 UNO-Pakt II und Art. 8 EMRK fliesst, sowie auf das Recht auf Reproduktion, das ohne Diskriminierung gewährleistet werden muss. Das Recht, ein Kind zu haben, ist allerdings menschenrechtlich nicht anerkannt.

Für die menschenrechtliche Perspektive im Vordergrund stehen die Rechte des Kindes, wie sie in der Kinderrechtskonvention explizit niedergelegt sind. Wichtig sind hier vor allem das Recht, seine Abstammung zu kennen (Art. 7 KRK und, gemäss EGMR-Rechtsprechung, Art. 8 EMRK) sowie das Grundprinzip, dass dem Kindeswohl in allen Verfahren vorrangig Rechnung getragen wird (Art. 3 KRK). Das im Art. 7 KRK enthaltene Recht, eine Staatsangehörigkeit zu erwerben, spielt ebenfalls eine Rolle. Weiter ist auch Art. 9 KRK zu beachten, der die Trennung zwischen Eltern und Kind nur als letzte Massnahme im Falle einer Gefährdung vorsieht. Letzteres ist dann wichtig, wenn ein Staat den Wunscheltern das Kind wegnimmt und fremdplatziert mit der Begründung, dass diese sich durch die Inanspruchnahme einer Leihmutterschaft im Ausland strafbar gemacht hätten. Sodann gilt es, das Kind wie auch die Leihmutter vor jeglicher Form der Ausbeutung zu schützen.

Zur Leihmutterschaft haben sich insbesondere der Kinderrechtsausschuss der UNO und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geäussert. Dabei steht nicht die Beurteilung der Leihmutterschaft als solches, sondern die Situation des Kindes im Zentrum der Überlegungen. Am Rande nur wird auf die Rechte der Leihmütter und deren Schutz vor Ausbeutung eingegangen.

Schlussbemerkungen des Kinderrechtsausschusses

Der Kinderrechtsausschuss hat sich in seinen Schlussbemerkungen («Concluding Observations») zu den Staatenberichten etwa gegenüber den USA, Israel, Indien, den Niederlanden sowie aktuell auch gegenüber der Schweiz zum Thema Leihmutterschaft geäussert. Die Empfehlungen des Kinderrechtsausschusses sind je nach innerstaatlicher Regelung unterschiedlich, und beinhalten Forderungen wie die Abgrenzung zwischen Leihmutterschaft und Verkauf von Kindern, die Unterstützung und Beratung von Leihmüttern und Wunscheltern, die Regelung der finanziellen Abgeltung oder die Regelung des rechtlichen Status im Land der Wunscheltern.

Im Jahr 2009 hat sich der Kinderrechtsausschuss im Rahmen des Staatenberichtsverfahren der Niederlanden (CRC/C/NLD/CO/3) soweit ersichtlich zum ersten Mal zur Leihmutterschaft geäussert und seine Besorgnis über die Einhaltung der Rechte des Kindes in Fällen illegaler Adoptionen sowie insbesondere auch bei Leihmutterschaft ausgedrückt. Gegenüber Israel monierte der Ausschuss 2013 (CRC/C/ISR/CO/2-4), dass bei der Regelung der Leihmutterschaft das Kindesinteresse vorrangige Geltung haben und bei den durch Leihmutterschaft geborenen Kindern der Zugang zu den Informationen über ihre Abstammung gesichert werden müsse. Des Weiteren empfahl der Ausschuss, Leihmüttern und Wunscheltern geeignete Beratung und Unterstützung zu bieten. Im Falle der USA äusserte sich der Ausschuss im selben Jahr (CRC/C/OPSC/USA/CO/2) zum Thema der Leihmutterschaft im Rahmen der Überprüfung der Umsetzung des «Fakultativprotokolls zur Kinderkonvention betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und Kinderpornographie» und ortete rechtlichen Handlungsbedarf bei der Regelung der Leihmutterschaft. Vor allem Zahlungen an die Leihmutter vor der Geburt des Kindes förderten den Kinderhandel. Die Problematik der prekären Situation der Leihmutter hob der Kinderrechtsausschuss auch in den an Indien gerichteten Schlussbemerkungen im Jahr 2014 (CRC/C/IND/CO/3-4) hervor und kritisierte die mangelnde Regelung, die den Verkauf von Kindern und Verletzungen der Rechte von Kindern zur Folge habe. (Zu den an die Schweiz gerichteten Empfehlungen siehe unten.)

Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof hat sich bis jetzt in drei Urteilen zur Leihmutterschaft geäussert; drei weitere Fälle aus Frankreich, in denen es um die Nichtanerkennung der Eltern-Kind-Beziehung durch Frankreich im Fall von Leihmutterschaft im Ausland geht, sind zurzeit in Strassburg pendent.

In Fall Mennesson bzw. Labassee v. Frankreich klagten zwei Paare, die in den USA zwei bzw. ein Kind von einer Leihmutter austragen liessen. In beiden Fällen war der Wunschvater auch der genetische Vater, die Eizelle stammte von einer anonymen Spenderin. Die Wunscheltern wurden in Kalifornien bzw. Minnesota in das Geburtsregister als Eltern eingetragen und alle Kinder erlangten das Bürgerrecht der USA. Die zuständigen französischen Behörden anerkannten die in den USA ausgestellten Geburtsurkunden mit Hinweis auf das bestehende Verbot der Leihmutterschaft in Frankreich und den Ordre public nicht bzw. fochten die erfolgte Eintragung des Kindesverhältnisses im französischen Geburtsregister an. Der EGMR wies die Beschwerde der Wunscheltern wegen Verletzung von Art. 8 EMRK ab, da sie nicht nachweisen konnten, in wieweit der Nichteintrag ihr Recht auf Familienleben beeinträchtigte. Er sah allerdings die Rechte des Kindes aus Art. 8 EMRK insbesondere mit Blick auf das Recht auf Identität als verletzt an. Der Gerichtshof liess sich dabei vom Wohl des Kindes als vorrangig zu beachtendem Grundsatz leiten (Mennesson, Ziff. 99; Labassee, Ziff. 60).

Zur Frage, ob Leihmutterschaft mit der EMRK zu vereinbaren sei bzw. ob ein Verbot der Leihmutterschaft Rechte der EMRK verletzt, betonte der EGMR, angesichts des fehlenden Konsenses der Mitgliedstaaten des Europarates zu dieser Frage besitze jeder Staat wegen der mit der Leihmutterschaft verbundenen heiklen moralischen und ethischen Fragen einen grossen Ermessensspielraum. Dieser sei aber beschränkt, soweit ein nationales Verbot wichtige, durch Art. 8 EMRK geschützte Aspekte der Existenz oder der Identität des Kindes beeinträchtige (Labassee, Ziff. 56 f.). Er bejahte im konkreten Fall eine solche Beeinträchtigung, u.a. weil das Kind wegen des Verbots weder die französische Staatsbürgerschaft erwerben konnte noch einen Erbanspruch gegenüber den Wunscheltern besass, und hiess deshalb die Beschwerde des Kindes wegen Verletzung von Art. 8 EMRK gut.

Im Fall Paradiso und Campanelli v. Italien ging es um ein 2011 von einer Leihmutter in Russland ausgetragenes Kind, mit dem die Beschwerde führenden Wunscheltern biologisch nicht verwandt waren. Italien anerkannte mit Hinweis auf den Ordre public den im Einklang mit dem russischen Recht erfolgten Geburtseintrag nicht und warf den Wunscheltern die Umgehung der Adoptionsbestimmungen vor. Das unterdessen 9-monatige Kind wurde den Eltern in der Folge weggenommen und, unter Errichtung einer Vormundschaft, fremdplatziert. Das Kind erhielt einen neuen Geburtseintrag mit dem Vermerk «Eltern unbekannt».

In seinem Urteil setzte sich der EGMR lediglich mit der Frage auseinander, ob die Wegnahme und Fremdplatzierung des Kindes im Einklang mit Art. 8 EMRK war.

Er betonte, dass die Wegnahme des Kindes nicht mit der Verletzung des Ordre public begründet werden könne, denn dies würde eine «Carte blanche» für jegliche Massnahmen darstellen. Mit Hinweis auf seine ständige Praxis stellte er klar, dass die Wegnahme des Kindes eine unverhältnismässige Massnahme sei, denn diese stelle einen massiven Eingriff in das Familienleben dar, der lediglich bei schwerwiegenden Gefährdungen des Kindeswohls gerechtfertigt sein könne (Ziff. 80 ff.). Die Staaten seien verpflichtet, alles zu unternehmen, um die familiären Beziehungen zu unterstützen. Obwohl er eine Verletzung von Art. 8 EMRK klar bejahte, wollte er das Urteil nicht so verstanden wissen, dass das Kind den Wunscheltern zurückgegeben werden müsse. Dieses lebt seit Beginn 2013 bei Pflegeeltern und habe zu diesen eine emotionale Bindung aufgebaut.

Zusammenfassend lässt sich trotz vieler offener Punkte in diesen Urteilen festhalten, dass nach Auffassung des EGMR Verbote der Leihmutterschaft nicht automatisch EMRK-widrig sind, diese aber so ausgestaltet sein müssen, dass dem Kind daraus nicht gewichtige Nachteile erwachsen. Zu vermuten ist, dass der Gerichtshof z.B. strafrechtliche Sanktionen für Verletzungen eines Verbots akzeptieren würde, er es aber nicht akzeptiert, wenn dem Kind schwerwiegende Nachteile entstehen, z.B. als Folge der Nichtanerkennung seines Verhältnisses zu Eltern, mit denen eine biologische Verwandtschaft besteht. Insofern kann von einem grundsätzlichen Recht des Kindes auf Anerkennung seines Verhältnisses zu biologisch verwandten Wunscheltern gesprochen werden. Allerdings ist dessen Tragweite noch nicht völlig klar.

Leihmutterschaft und die Schweiz

Rechtliche Lage

In der Schweiz ist die Leihmutterschaft durch die Bundesverfassung verboten (Art. 119 Abs. 2 Bst. d BV). Bekräftigt wird das Verbot im Bundesgesetz über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung (FMedG) (Art. 4). Gemäss FMedG Art. 31 macht sich strafbar, wer bei einer Leihmutter Fortpflanzungsverfahren anwendet oder Leihmutterschaften vermittelt.

Die rechtliche Behandlung von im Ausland von Leihmüttern geborenen Kindern kann wie folgt kurz zusammengefasst werden: Gemäss schweizerischer Rechtslage ist die Mutter des Kindes immer die Frau, die das Kind geboren hat (siehe Art. 252 ZGB). Das Kindesverhältnis kann, sofern keine genetischen Verbindungen zum Kind bestehen, somit nur durch Adoption oder, wenn der Vater der genetische Vater des Kindes ist, durch Anerkennung der Vaterschaft anerkannt werden. Die Elternschaft der Wunschmutter wird erst durch die Stiefkindsadoption hergestellt, auch dann, wenn die Wunschmutter die genetische Mutter des Kindes ist. Adoption und Stiefkindsadoption sind gleichgeschlechtlichen Paaren gemäss heute geltender Rechtslage verboten (Partnerschaftsgesetz Art. 28). Der genetische Vater kann allerdings auch dann, wenn er Teil eines gleichgeschlechtlichen Paares ist, die Vaterschaft anerkennen lassen.

Ein im Ausland unter Beizug einer Leihmutter begründetes Kindesverhältnis kann in der Schweiz jedoch gestützt auf das Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) anerkannt werden. Das Bundesamt für Justiz kam in seinem Gutachten zur Verfassungsmässigkeit der Anerkennung ausländischer Entscheide zum Schluss, dass das Verbot der Leihmutterschaft in Art. 119 BV der Anerkennung ausländischer Entscheide, die gestützt auf eine Leihmutterschaft das Kindesverhältnis zu den Wunscheltern begründen, nicht entgegenstehe (siehe das Gutachten im Bericht des Bundesrates zur Leihmutterschaft, S. 40 ff.)

Für die Dauer des Adoptionsverfahrens wird ein Pflegekinderverhältnis errichtet. Dem Bericht des Bundesrates zur Leihmutterschaft ist zu entnehmen, dass eine Wegnahme des Kindes jedoch nur bei einer akuten und dauerhaften Gefährdung des Kindeswohls in Betracht gezogen werden darf.

Der Kinderrechtsausschuss bemängelte in seinen Empfehlungen an die Schweiz vom Januar 2015 in diesem Zusammenhang die bestehende Ungewissheit über den rechtlichen Status des Kindes während der Jahresfrist, in welcher die Möglichkeit der Adoption evaluiert wird. Er empfahl der Schweiz diese Evaluationsphase zu beschleunigen und sicherzustellen, dass das Kind während der Zeit zwischen seiner Ankunft in der Schweiz und der formellen Adoption nicht staatenlos ist und keine Diskriminierungen zu gewärtigen hat (CRC/C/CHE/CO/2-4, Ziff. 50).

Urteil des St. Galler Verwaltungsgerichts

Einlässlich hat sich das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen mit der Anerkennung eines in den USA geborenen Kindes einer Leihmutter beschäftigt. Es handelt sich um ein Kind von in eingetragener Partnerschaft lebenden Männern, das mithilfe einer Eizelle einer anonymen Spenderin und dem Sperma des einen Partners in den USA ausgetragen wurde.

Das Amt für Bürgerrecht und Zivilstand des Kantons St. Gallen hatte den Antrag des Paares auf Eintragung im Zivilstandsregister sowie auf Anerkennung der Elternschaft abgelehnt. Gleichzeitig wurde aber anerkannt, dass sich das Kind weiterhin bei den Antragstellern aufhalten und deren Unterhalt und persönlicher Sorge überlassen werden könne. Das kantonale Departement des Innern hiess am 10. Juli 2013 den Rekurs mit Blick auf das Kindeswohl gut und wies das Zivilstandamt an, die Beschwerdeführer als Väter anzuerkennen und die Eintragung in das schweizerische Zivilstandsregister zu verfügen. Dagegen erhob die Schweizerische Eidgenossenschaft, vertreten durch das Bundesamt für Justiz, beim Verwaltungsgericht St. Gallen Beschwerde.

Das Verwaltungsgericht entschied, dass die Anerkennung der kalifornischen Geburtsurkunde und des kalifornischen Urteils über die Leihmutterschaft den schweizerischen Ordre public nicht verletze, auch wenn das Paar das verfassungsmässige Verbot der Leihmutterschaft und das gesetzliche Verbot der Eispende umgangen habe, um sich seinen Kinderwunsch zu erfüllen. Mit Blick auf das Verbot der Adoption und auch der Stiefkindsadoption in Art. 28 Partnerschaftsgesetz bzw. Art. 264a ZGB wies das Gericht darauf hin, dass bereits heute ausländische Adoptionen durch eingetragene Partnerinnen und Partner von der Schweiz in Anwendung von Art. 78 IPRG anerkannt werden. Sodann verwies es auf die Vorlage des Bundesrates, die die Stiefkindsadoption für Paare in eingetragener Partnerschaft und allenfalls auch auf Paare in verschieden- wie gleichgeschlechtlichen faktischen Lebensgemeinschaften ausdehnen will (siehe dazu Botschaft des Bundesrates zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Adoption), BBl 2015 878). Im Interesse des Kindes und im Interesse einer einheitlichen und klaren Rechtslage sei, gemäss dem St. Galler Verwaltungsgericht, das Verwandtschaftsverhältnis deshalb in Anwendung des IPRG anzuerkennen. Durch eine generelle Verweigerung der Anerkennung bzw. durch den alleinigen Eintrag der Leiheltern in das Personenstandsregister könne das Diskriminierungsverbot und das Kindeswohl gemäss UNO-Kinderrechtskonvention verletzt werden. Sie hätte zur Folge, dass die rechtliche und soziale Elternschaft des Kindes in der Schweiz aufgespaltet würde und es in den USA und in der Schweiz unterschiedliche rechtliche Eltern hätte. Den Leiheltern, die auf jegliche Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind verzichtet hätten und keinen Kontakt und Bezug zum Kind haben, würde gegen ihren Willen und trotz des in den USA rechtsgültig festgestellten Verzichts ein Kindesverhältnis aufgezwungen. Die Eintragung der Leiheltern als rechtliche Eltern hätte sodann Unsicherheiten hinsichtlich des Aufenthaltsrechts des Kindes in der Schweiz zur Folge. Zur Wahrung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung des Kindes gemäss Art. 119 Abs. 2 Bst. g, Art. 27 FMedG, Art. 268c ZGB, Art. 7 Abs. 1 KRK und Art. 8 EMRK wies es das Zivilstandsamt an, alle Informationen zur Identität des Kindes aufzunehmen, damit die Herkunft des Kindes zeitlich unbeschränkt sichergestellt sei. Einzutragen seien der genetische Vater, die Geburtsmutter (samt Hinweis auf Geburtsdatum, Geburtsort und Wohnsitz) sowie, dass die genetische Mutter eine anonyme Eizellenspenderin sei.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der Entscheid des Bundesgerichts steht noch aus.

Ausblick: Anerkennung des Kindesverhältnisses trotz Verbot?

Staaten, welche wie die Schweiz die Leihmutterschaft verbieten, befinden sich in einer Zwickmühle: Anerkennen sie das aufgrund einer Leihmutterschaft entstandene Kindesverhältnis zu den Wunscheltern, so akzeptieren sie gleichzeitig, dass das innerstaatliche Recht umgangen wird und stellen damit das Verbot grundsätzlich in Frage. Andererseits würde eine konsequente Durchsetzung des Verbots zu einer Missachtung der Rechte des Kindes führen.

Die aktuelle Diskussion in der Schweiz zum Umgang mit einer im Ausland durchgeführten Leihmutterschaft weist in die richtige Richtung, indem anerkannt wird, dass der Massstab für die Anerkennung eines aufgrund einer Leihmutterschaft entstandenen Kindesverhältnisses der Schutz der Rechte des Kindes zu sein hat.

Eine Beurteilung durch das Bundesgericht steht allerdings noch aus und viele Fragen sind offen. Insbesondere ist noch nicht definitiv geklärt, wie in der aktuellen Situation dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung Rechnung getragen werden kann. Nur durch eine klare, transparente Handhabung der Informationen über die Herkunft des Kindes kann diesem Recht Folge geleistet werden. Das Urteil des St. Galler Verwaltungsgerichts bietet hierzu Lösungsansätze auf schweizerischer Ebene.

Für die Zulassung der Leihmutterschaft in der Schweiz hat sich 2013 die Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin ausgesprochen. Sie hat allerdings Zweifel daran geäussert, dass es möglich wäre, annehmbare Rahmenbedingungen zu schaffen, mit denen allen beteiligten Personen ein angemessener Schutz gewährleistet werden kann, namentlich angesichts der Gefahren im Zusammenhang mit der Kommerzialisierung der Leihmutterschaft.

Angesichts des grenzüberschreitenden Kontexts sind Lösungen auf internationaler Ebene gefragt. Auf Ebene des Europarates und insbesondere auch im Rahmen der Haager Konferenz für das internationale Privatrecht (HCCH) ist die Diskussion über die Leihmutterschaft und deren menschenrechtliche und ethischen Aspekte im Gang (siehe die Hinweise im Bericht des Bundesrates zur Leihmutterschaft, S. 33 ff.). Bis eine entsprechende internationale Regelung in einer Konvention oder einem Protokoll vorliegt, dürfte es allerdings noch einige Zeit dauern.

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