Studien & Gutachten

Zugang zur Justiz für Frauen in der Schweiz

Menschenrechtliche Verpflichtungen erfordern zusätzliche Datenerhebung

Abstract

In der Schweiz erheben die Behörden zu wenige Informationen, um den Zugang von Frauen zur Justiz zu gewährleisten. Dies zeigt eine Auswertung der bestehenden Datenerhebungen durch das SKMR. Damit die Schweiz ihren grund- und menschenrechtlichen Verpflichtungen nachkommen kann, sind ergänzende Umfragen notwendig, z.B. in der Form von legal need surveys.

Publiziert am 30.08.2021

Was bedeutet "Zugang zu Justiz" für Frauen?

Zugang zu Justiz bedeutet, dass Menschen faire Lösungen für ihre rechtlichen Probleme finden können und ihre Rechte geschützt werden. Für Frauen bestehen dabei oft spezifische und zusätzliche Hürden aufgrund gesellschaftlicher und ökonomischer Diskriminierung, sexistischer Vorurteile, Geschlechterstereotypen und mitunter auch gesetzlicher Bestimmungen selbst.

Beispielsweise ist der Zugang zu Justiz nicht gewährleistet, wenn ein Grossteil der sexualstrafrechtlichen Verfahren eingestellt wird und der Staat die Gründe dazu nicht klärt; wenn eine lesbische Frau von den Justizbehörden homofeindlich behandelt wird; wenn einer von häuslicher Gewalt betroffenen Frau auf der Polizeistelle die Übersetzung von/in ihre Erstsprache verwehrt wird; oder wenn Opfer häuslicher Gewalt vom Staat nicht ausreichend bei der Anzeige unterstützt und geschützt werden.

Internationale Organe wie der Frauenrechtsauschuss der Vereinen Nationen (CEDAW) und der Europarat sehen es als zentral an, dass detaillierte Daten zum Zugang von Frauen zur Justiz erfasst werden. Nur so kann geprüft werden, ob Staaten ihren grund- und menschenrechtlichen Verpflichtungen nachkommen.

Optiminierungsbedarf bei der Datenerhebung

In der Schweiz existieren bereits verschiedene Datenquellen, die Informationen zur Justiz zusammentragen. Allerdings sind diese wenig aufschlussreich hinsichtlich des Zugangs zur Justiz für Frauen – und auch für die Bevölkerung allgemein. Umfassende Rückschlüsse dazu, welche Hürden den Zugang zur Justiz erschweren, und wie diese abgebaut werden können, lassen sich dadurch nicht ziehen. Es gibt allerdings klare Anzeichen, dass die Gleichstellung in dem Bereich nicht erreicht ist.

Der CEDAW-Ausschuss, der Europarat und UN Women haben spezifische Empfehlungen und Richtlinien dazu erarbeitet, wie Staaten Daten erheben können, um die Ausgangslage zu erfassen und den Zugang von Frauen zur Justiz zu gewährleisten. Das SKMR empfiehlt, dass die bestehenden Datenerhebungen in der Schweiz anhand dieser Standards verbessert und ausgebaut werden.

Legal needs surveys als weitere Perspektive

Darüber hinaus besteht auch Nachholbedarf bei der Erfassung und Analyse von Daten aus der Sicht der betroffenen Frauen. Dazu bieten sich sogenannte legal needs surveys an, die seit geraumer Zeit weltweit etabliert sind, in der Schweiz aber bislang noch nicht durchgeführt wurden.

Diese Art der Untersuchung befragt rechtssuchende Frauen u.a. zu ihrem rechtlichen Grundwissen, ihrer Kenntnis von Unterstützungsangeboten, der Häufigkeit und Art ihrer rechtlichen Probleme und ihrer eigenen Einschätzung, ob diese fair gelöst werden konnten.

Eine solche Umfrage könnte zukünftig in die "Erhebung zum Zusammenleben in der Schweiz" integriert werden, die alle zwei Jahre vom Bundesamt für Statistik durchgeführt wird.

Schwerpunkt

Die Studie wurde im Rahmen des Schwer­punkts Zugang zur Justiz erarbeitet.

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