Artikel

Der Kampf gegen Gewalt an Frauen und Mädchen als vordringliches Anliegen

Internationale Standards gegen Gewalt an Frauen und Mädchen und verstärktes Schweizer Engagement für Frauenmenschenrechte in der UNO

Abstract

Autorin: Brigitte Schnegg

Publiziert am 13.06.2013

Bedeutung für die Praxis:

  • Informationen über die Arbeit der Commission on the Status of Women (CSW)
  • Empfehlungen für Massnahmen im Kampf gegen Gewalt an Frauen und Mädchen
  • Schweiz wird für die Periode 2013-2017 stimmberechtigtes Mitglied der CSW und verstärkt ihr aussenpolitisches Engagement für Frauenmenschenrechte
  • Im Kampf gegen Gewalt an Frauen und Mädchen besteht in der Schweiz Handlungsbedarf vor allem im Bereich der häuslichen Gewalt und der Bekämpfung von Straflosigkeit

Die UN Commission on the Status of Women

Die Kommission für die Stellung der Frau (Commission on the Status of Women CSW) der Vereinten Nationen hat sich an ihrer diesjährigen 57. Session (4. bis 15. März 2013 in New York) mit der Eliminierung und Prävention von Gewalt gegen Frauen und Mädchen befasst. Im Zentrum der jährlichen Sessionen dieser dem UNO Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) zugeordneten intergouvernementalen Kommission steht jeweils die Verabschiedung von sogenannten „Agreed Conclusions“. Diese Handlungsempfehlungen, die jedes Jahr einem anderen Thema gewidmet sind, richten sich in erster Linie an die Mitgliedstaaten der UNO. Sie sind nicht rechtsverbindlich, gehören aber zum so genannten Soft Law der internationalen Staatengemeinschaft und erlangen eine gewisse Autorität dadurch, dass sie von der Kommission einstimmig verabschiedet werden.

Suche nach einem Konsens

Gewalt gegen Frauen und Mädchen, die im Zentrum der diesjährigen Session der CSW stand, gilt als eine der am weitesten verbreiteten Formen von Menschenrechtsverletzungen. Sie hat vielfältige Ursachen, die von Armut und generell schlechter Sicherheitslage bis zu hartnäckigen Geschlechterstereotypen und tief verankerten Machtasymmetrien zwischen den Geschlechtern reichen. Die Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt berührt auch sehr kontroverse Themen, etwa im Bereich von kulturellen Werten und Praktiken oder im Bereich von sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten.

Die CSW stand in diesem Jahr unter besonderem Druck, nachdem 2012 kein Abschlussdokument verabschiedet werden konnte. Die Herausforderung bestand darin, ein nochmaliges Scheitern der Verhandlungen zu verhindern, ohne dabei hinter die erreichten Standards zurückzufallen. Die Suche nach einem Konsens in den umstrittenen Fragen (etwa im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, bei der Rolle von traditionellen Werten oder bei Themen wie sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität) war angesichts einer starken Allianz von konservativen Staaten, die sich einer Stärkung der Frauenmenschenrechte entgegen stellten, äusserst anspruchsvoll.

Schlussdokument fast ohne konservative Scheuklappen

Nach einem schwierigen und langwierigen Verhandlungsprozess gelang in letzter Minute die Verabschiedung eines umfassenden Abschlussdokuments, in welchem zentrale Anliegen der Schweiz und der ihr gleich gesinnten Staaten, aber auch vieler NGOs, erfolgreich verankert werden konnten. Es gelang insbesondere, Versuche der konservativen Delegationen, Menschenrechtsverletzungen mit kulturellen und religiösen Argumenten zu rechtfertigen, zurückzuweisen.

Positiv ist auch, dass die tiefer liegenden Gründe für Gewalt gegen Frauen sowie die Beeinträchtigung der reproduktiven und sexuellen Gesundheit von Frauen durch sexuelle Gewalt angesprochen wurden. Zudem wurde der besondere Schutz für Menschenrechtsverteidigerinnen festgeschrieben und die geschlechtsspezifische Gewalt in Konfliktsituationen wurde in Übereinstimmung mit und ausdrücklichem Verweis auf UN-Sicherheitsratsresolutionen verurteilt.

Ein weiteres Schweizer Anliegen, das erfolgreich platziert werden konnte, ist die Betonung der wichtigen Rolle von Männern und Jungen bei der Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt. Bessere Normen zum Schutz von homosexuellen und Trans*Menschen vor Gewalt scheiterten dagegen am hartnäckigen Widerstand der konservativen Staaten.

Die Schweiz verstärkt ihr Engagement für die Frauenmenschenrechte in der UNO

Die Schweiz hat in diesem Jahr ihr Engagement im Rahmen der CSW deutlich verstärkt. Sie stellte eine hochrangige Delegation unter der Leitung des Generalsekretärs des EDA, Benno Bättig, und der Vizeleitung der Direktorin des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann, Sylvie Durrer. Neben den Expertinnen aus dem EDA und den Diplomatinnen der Mission in New York waren auch verschiedene Bundesämter (DEZA, BFM) sowie die Zivilgesellschaft und der Wissenschaft in der Delegation vertreten. Die Jugend wurde durch einen so genannten Youth Rep repräsentiert.

Um die Anliegen der verschiedenen schweizerischen Akteure möglichst breit einzubeziehen, wurden bereits im Vorfeld der CSW-Session in New York Konsultationen mit Vertreterinnen und Vertretern der Kantone und Gemeinden sowie mit der Zivilgesellschaft organisiert.

Wichtig für die erfolgreiche Arbeit der Schweizer Delegation waren zudem Kontakte mit gleichgesinnten Ländern im Vorfeld und während der Session, und die intensiven Anstrengungen, möglichst viele Delegationen aus den unterschiedlichen Weltregionen von der Notwendigkeit starker Standards zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt zu überzeugen. Die erfolgreiche überregionale Vernetzung war ein wesentlicher Grund dafür, dass die Schweiz die meisten ihrer Anliegen erfolgreich im Abschlussdokument platzieren und sich zudem bei der Suche nach Kompromissen profilieren konnte.

Die Schweiz wird nun ab der 58. Session für vier Jahre als stimmberechtigtes Mitglied der CSW angehören. Während der nächsten zwei Jahre wird sie überdies im einflussreichen 5-köpfigen Bureau des CSW Einsitz nehmen und damit die Agenda der CSW mitbestimmen. Damit wird das aussenpolitische Engagement der Schweiz für die Frauenmenschenrechte auf multilateraler Ebene gestärkt.

Gewalt an Frauen: Problembereiche in der Schweiz

Nach den Verhandlungen in New York steht nun vor allem die Umsetzung der Empfehlungen der CSW in der Schweiz an. Zu diesem Zweck wurden die wichtigsten Ergebnisse sowohl innerhalb der Verwaltung als auch gegenüber interessierten Kreisen in den Kantonen und der Zivilgesellschaft kommuniziert. Zudem diskutiert eine gemischte Arbeitsgruppe unter der Federführung des Generalsekretariats des EDA die Prioritäten bei der Umsetzung.

Dass in der Schweiz in Bezug auf Gewalt an Frauen noch Handlungsbedarf besteht, zeigen diejenigen Empfehlungen verschiedener UNO-Vertragsüberwachungsorgane, namentlich des CEDAW-Committee (Empfehlungen 1. und 2. Bericht) (Empfehlungen 3. Bericht) und der UPR-Reviews, welche häusliche Gewalt, Zwangsverheiratung und Menschenhandel betreffen.

Vorkehrungen gegen häusliche Gewalt

Wohl ist häusliche Gewalt in der Schweiz als gesellschaftliches Problem grundsätzlich anerkannt. Auf unterschiedlichen Ebenen sind Vorkehrungen getroffen und Programme initiiert worden, die einen besseren Schutz der Opfer, Gewaltprävention sowie Aufklärung und Sensibilisierung zum Ziel haben. Diese Massnahmen sind als ständige Aufgaben des Gemeinwesens langfristig zu sichern und wo nötig auszubauen. Das gilt insbesondere für die Frauenhäuser, deren Finanzierung nicht durchwegs sichergestellt ist. Dass ein Ausbau des Schutzangebots nötig wäre, zeigen aktuelle Zahlen, wonach ungefähr jede zweite Frau, die in einem Frauenhaus Schutz sucht, aus Platzmangel abgewiesen werden muss.

Straflosigkeit der Täter

Anlass zur Sorge bietet sodann die Straflosigkeit der Täter. In der Mehrheit der Fälle, in denen eine Beratung nach dem Opferhilfegesetz (OHG) erfolgte, wird kein Strafverfahren anhängig gemacht oder aber die Strafanzeigen werden zurückgezogen. Verschiedentlich ist die Schweiz auch kritisiert worden, weil sie nach wie vor über kein Bundesgesetz gegen häusliche Gewalt verfügt.

Die Schweizer CSW-Delegation empfiehlt in diesem Zusammenhang eine baldige Unterzeichnung und Ratifizierung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul Convention), dem bislang umfassendsten und stärksten Dokument zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen. Von Seiten der Bundesbehörden wurde signalisiert, dass diese Unterzeichnung noch für das laufende Jahr vorgesehen ist.

Prävention von Zwangsheiraten und Genitalverstümmelung

Im Bereich von Zwangsheiraten und Genitalverstümmelung (Art. 124 Strafgesetzbuch StGB) hat die Schweiz inzwischen explizite Strafnormen geschaffen. Handlungsbedarf besteht nunmehr vor allem bei der Prävention. Sowohl das Bundesamt für Migration (BFM) als auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sind hier aktiv geworden. Es wird sich zeigen, ob die geplanten Massnahmen zur Verhütung von Zwangsheiraten und Genitalverstümmelung die gewünschten Wirkungen zeitigen werden.

Bekämpfung des Frauen- und Mädchenhandels

Besonders gross scheinen die Herausforderungen bei der Bekämpfung des Frauen- und Mädchenhandels. Die internationalen Vertragsorgane empfehlen die Verabschiedung einer umfassenden Bekämpfungsstrategie, eine verstärkte internationale, regionale und bilaterale Zusammenarbeit, die Sicherstellung der Verfolgung und Bestrafung von Tätern sowie Massnahmen zum Schutz der Opfer, auch im Bereich des Aufenthaltsrechts (siehe dazu auch den Artikel „Situation des Menschenhandels in der Schweiz gibt vielen Ländern Anlass zur Besorgnis“ des Themenbereichs Geschlechterpolitik in SKMR Newsletter Nr. 8 vom 14. März 2013.)

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