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SKMR-Publikation zur geschlechtsspezifischen Verfolgung

Der erste Band der Schriftenreihe des SKMR erhellt ein komplexes Thema der Schweizer Asylpolitik

Publiziert am 27.06.2012

Bedeutung für die Praxis:

  • Überblick über die Problematik der geschlechtsspezifischen Fluchtgründe.
  • Umfassender Einblick in die Praxis des Bundesamtes für Migration bei der Beurteilung von Asylvorbringen im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Verfolgung.
  • Stand der Rechtsprechung (national und international) betreffend die Anerkennung geschlechtsspezifischer Verfolgung.

Das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) behandelt in seiner ersten Buchveröffentlichung die geschlechtsspezifische Verfolgung und deren Bedeutung in der schweizerischen Asylpraxis. Der Band, für den Alberto Achermann und Constantin Hruschka verantwortlich zeichnen, geht auf eine Weiterbildungsveranstaltung am Bundesverwaltungsgericht im Sommer 2011 zurück.

Ausgangsfragen

Sollen geschlechtsspezifische Fluchtgründe beim Asylverfahren berücksichtigt werden? Wie weit können Personen, die etwa wegen Verstössen gegen religiöse oder moralische Vorschriften (z.B. «westlicher Lebensstil» , Kleidervorschriften, traditionelle Geschlechterrollen, ausserehelicher Sex) bestraft werden, Schutz beanspruchen? Sollen Frauen, die vor Beschneidung, Zwangsheirat oder Zwangssterilisation, vor häuslicher Gewalt, Menschenhandel oder Zwangsprostitution fliehen, flüchtlingsrechtlich anerkannt werden? Können Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierung von schwulen und lesbischen, bisexuellen sowie trans- und intersexuellen Personen zu internationaler Schutzgewährung führen? Diese Fragen werden seit einiger Zeit kontrovers diskutiert.

Entwicklungen im Asylrecht

Im Rahmen der Totalrevision des schweizerischen Asylgesetzes im Jahr 1998 wurde der Flüchtlingsbegriff von Artikel 3 AsylG mit dem Zusatz ergänzt: «Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen». Doch erst mit dem Übergang der schweizerischen Praxis von der Zurechenbarkeitstheorie zur Schutztheorie, welche die damalige Asylrekurskommission im Jahr 2006 mit einer Änderung der Rechtsprechung in die Wege leitete (EMARK 2006/18), wurde es möglich, Verfolgung durch private Akteure als Asylgrund anzuerkennen, vorausgesetzt, die betreffenden Personen können in ihrer Heimat keinen staatlichen Schutz beanspruchen. Erst seit wenigen Jahren wird sodann die Verfolgung von schwulen, lesbischen, bisexuellen sowie trans- und intersexuellen Menschen ernsthaft zur Kenntnis genommen und diskutiert.

Zum Inhalt des Sammelbandes

Alberto Achermann und Constantin Hruschka zeichnen eingangs die Entwicklung der Praxis sowohl innerstaatlich als auch auf europäischer und universeller Ebene nach und listen am Ende nach wie vor bestehende Herausforderungen bei der Behandlung von geschlechtsspezifischer Verfolgung auf. Anna Wildt beleuchtet Fragen der internationalen Schutzgewährung unter dem Blickwinkel des gemeinsamen Europäischen Asylsystems, wie es in der Qualifikationsrichtlinie der EU zum Ausdruck kommt. Dabei zeigt sie Lücken und Bemühungen zur Verbesserung der rechtlichen Vorgaben auf.

Sehr detailliert widmet sich der Band dann der schweizerischen Praxis und leistet dabei erstmals eine umfassende Beurteilung: Liselotte Barzé erläutert die Praxis des Bundesamtes für Migration, Samah Ousmane und Sarah Progin-Theuerkauf vergleichen die schweizerische Rechtsprechung zur geschlechtsspezifischen Verfolgung mit der europäischen. Der Umgang mit der Verfolgung von LGBTI-Personen im Asylverfahren wird von Constantin Hruschka und Christoph Portmann dargestellt.

Die Beiträge diskutieren nicht nur materiell-rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. der Beurteilung der Wegweisung, sondern auch die verfahrensrechtlichen Probleme, die sich im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Verfolgung stellen. Sie sensibilisieren für die spezifischen Bedürfnisse der Opfer von geschlechtsspezifischer Verfolgung, die im Asylverfahren einer besonderen Berücksichtigung bedürfen (psychischer Gesundheitszustand, Gefahr der Retraumatisierung, Frage der Existenzgrundlage etc.).

Neue Schriftenreihe

Die vorliegende Publikation ist der erste Band einer neuen Schriftenreihe des SKMR bei Weblaw. Die SKMR-Reihe richtet sich an Fachleute, die in der Schweiz in menschenrechtsrelevanten Bereichen tätig sind.

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