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Neue EU-Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz der Opfer

Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rats

Abstract

Autorin: Christina Hausammann

Publiziert am 26.10.2011

Bedeutung für die Praxis:

  • Information. Die Richtlinie ist für die Schweiz nicht verbindlich.
  • Es bleibt aber abzuwarten, ob der Nationalrat die bevorstehenden parlamentarischen Debatten über die Ratifikation des Übereinkommens des Europarats gegen den Menschenhandel (bundesrätliche Botschaft vom 17. November 2010) benutzen wird, um eine Harmonisierung des schweizerischen Rechts mit der Richtlinie zu verlangen. Der Ständerat hat der Ratifikation bereits im Juni 2011 zugestimmt.

Am 5. April 2011 hat die EU eine Richtlinie erlassen, welche die Verfolgung von Menschenhandel in den Ländern der EU koordinieren und Massnahmen zur Prävention und zum Schutze der Opfer vereinheitlichen und verstärken will. Die Richtlinie, welche sich unter anderem auf die Europäische Menschenhandelskonvention des Europarats von 2005 stützt, setzt für die Mitgliedstaaten verbindliche Standards. Die Staaten haben nun zwei Jahre Zeit, um die Bestimmungen der Richtlinie innerstaatlich umzusetzen.

Einheitliche Strafandrohung

Die Richtlinie verlangt, dass Menschenhandel von den Mitgliedstaaten mit mindestens fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet wird; mindestens zehn Jahre sind anzudrohen, wenn die Tat gegen besonders schutzbedürftige Opfer oder im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangen wurde, wenn schwere Gewalt angewandt wurde oder das Opfer einen besonders schweren Schaden erlitten hat (Art. 4). Die Strafandrohung ist damit deutlich höher als im schweizerischen Strafgesetzbuch (siehe Art. 182 StGB). Weiter haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Tatwerkzeuge und die Erträge aus den Straftaten beschlagnahmt und eingezogen werden (Art. 7).

Die Strafverfolgung darf sodann nicht von der Anzeige eines Opfers abhängig gemacht werden und muss auch dann fortgesetzt werden, wenn das Opfer seine Aussage widerruft. Die zuständigen Stellen sind für die Ermittlungen im Bereich Menschenhandel entsprechend zu schulen und mit effizienten Ermittlungsinstrumenten auszurüsten (Art. 9).

Opferschutz im Zentrum

Gestärkt wird insbesondere der Schutz der Opfer: So ist etwa sicherzustellen, dass diese vor, während und auch für eine angemessene Zeit nach Abschluss des Strafverfahrens Unterstützung und Betreuung erhalten. Schutzmassnahmen dürfen nicht von der Bereitschaft des Opfers, bei den Ermittlungen und der Strafverfolgung oder beim Gerichtsverfahren zu kooperieren, abhängig gemacht werden (Art. 11). Opfern von Menschenhandel muss unverzüglich Zugang zu Rechtsberatung sowie – gemäss den innerstaatlichen Regelungen – zu rechtlicher Vertretung, insbesondere auch zum Zweck der Geltendmachung einer Entschädigung, garantiert werden. Explizit gefordert wird, dass eine sekundäre Viktimisierung der Opfer zu verhindern ist (z.B. durch Vermeidung wiederholter Vernehmungen, Sichtkontakt zwischen Opfer und Beschuldigten oder Zeugenaussagen in öffentlichen Verhandlungen; Art. 12).

Weitere Bestimmungen regeln die Unterstützungs-, Betreuungs- und Schutzmassnahmen für Kinder, die Opfer von Menschenhandel sind (Art. 13–16). Die Staaten haben schliesslich einen nationalen Mechanismus einzuführen, welcher die Entwicklungen beim Menschenhandel sowie die Massnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels evaluiert und statistische Daten sammelt (Art. 19).

Nicht berührt von der der neuen Richtlinie sind die aufenthaltsrechtlichen Fragen. Diese sind in der Richtlinie 2004/81/EG des Rats vom 29. April 2004 enthalten. Sie regelt die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde und die mit den zuständigen Behörden kooperieren.

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