Artikel

Gewalt im schulischen Umfeld

«Mobbing unter Gleichaltrigen» – Ergebnisse einer Walliser Studie

Abstract

Autoren*innen: Philip Jaffé, Claire Piguet

Publiziert am 27.06.2012

Bedeutung für die Praxis:

  • Gültige und zuverlässige Daten zu einer aus zwei Sprachregionen bestehenden Schulregion
  • Sensibilisierung der Schulbehörden und des politischen Umfelds für die Notwendigkeit einer stärkeren und proaktiveren Informations- und Präventionspolitik
  • Gedankenanstösse bezüglich notwendiger Massnahmen zur Eindämmung des Mobbings in Schulen

Das Universitäre Institut Kurt Bösch (IUKB) hat in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Wallis und der Unterstützung der Dienststelle für Unterrichtswesen des Kantons Wallis eine umfangreiche wissenschaftliche Studie mit über 4'000 Schülerinnen und Schülern der 5. und 6. Primarklassen durchgeführt. Anlässlich des 4. Internationalen Kolloquiums von Sitten Anfang Mai 2012 wurden der Öffentlichkeit erste Ergebnisse präsentiert. Im Laufe der Studie wurden 127 ausgewählte französisch- und deutschsprachige Klassen aus dem ganzen Kanton von drei Forschungsteams besucht.

Erste Ergebnisse der Studie

Das Besondere an der Studie ist, dass Parallelen zu einer ähnlichen, 2010 von Debarbieux mit 12'000 gleichaltrigen Kindern in Frankreich durchgeführten Studie gezogen werden können. Daraus geht hervor, dass die Schweizer Schülerinnen und Schüler zwei Mal weniger gefährdet sind, Opfer von verbalem bzw. physischem Mobbing oder sexueller Belästigung zu werden. Zudem ist eine starke Korrelation zwischen den Mobbing-Arten festzustellen und das Mobbing steht in direktem Zusammenhang mit der Stimmung an den Schulen. Erwähnenswert ist, dass die Stimmung an den Walliser Schulen durchaus gut ist: So fühlen sich die 10 bis 13-jährigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Schule wohl (94.7%) und verstehen sich sehr gut oder ziemlich gut mit den Lehrpersonen (95.1%).

Dennoch wurden knapp 10% der Kinder bereits Opfer von Mobbing mit möglichen negativen Auswirkungen auf die schulische Lernfähigkeit und auf das psychologische und soziale Wohlbefinden.

Folgende Aspekte gehen ebenfalls aus der Studie hervor:

  • Der Schulweg ist besonders risikoreich, weil Schülerinnen und Schüler hier besonders oft Opfer von Mobbing werden.
  • Hervorzuheben sind zudem die Vorteile mehrstufiger Klassen, wie sie im Oberwallis häufig anzutreffen sind. Diese können vor Mobbing schützen.
  • Bei Knaben, die zwischen 10 und 13 Jahre alt sind, ist die Gefahr grösser, dass sie Opfer und/oder Täter von verbalem und physischem Mobbing werden als bei gleichaltrigen Mädchen. Diese neigen im Vergleich eher dazu, Klassenkollegen/-innen indirekt zu mobben, etwa unter Einbezug moderner Technologien.

Rechtlicher Rahmen

Das Strafgesetzbuch enthält keinen spezifischen Artikel zum Thema Mobbing. Es finden sich jedoch verschiedene Bestimmungen bezüglich der physischen, verbalen, sexuellen und psychischen Gewalt sowie der Gewalt mittels moderner Kommunikationstechnologien. In gravierenden Fällen werden die Täter dieser Straftaten von Amtes wegen verfolgt, in den übrigen Fällen muss jedoch Strafanzeige eingereicht werden. In den kantonalen Schulgesetzen und in den Schulreglementen sind die Rechte und Pflichten der Schüler sowie Disziplinar- und Strafmassnahmen aufgeführt.

Schlussfolgerungen

Das Thema Mobbing unter Gleichaltrigen stösst in der Schweiz auf zunehmendes Interesse, da die steigende Anzahl von Fällen darauf hindeutet, dass es sich dabei nicht um eine Randerscheinung handelt. Es sind zwar gesetzliche Bestimmungen vorhanden, es zeigt sich jedoch, dass sich die Opfer nicht trauen, die Geschehnisse ans Tageslicht zu bringen. Eine der Hauptaufgaben besteht deshalb in der Information und der Prävention gegen Mobbing, das in einigen wenigen Fällen eine juristische Untersuchung nach sich zieht. Die Walliser Studie zeigt verschiedene mögliche Präventionsmassnahmen auf, wie zum Beispiel ein besserer Schutz auf dem Schulweg oder ein Mentoring zwischen älteren und jüngeren Schülern. Denn Kinder sollen in dieser Lebensphase im schulischen Umfeld ja gerade das Zusammenleben lernen.

In einem weiteren Schritt wird anhand einer genaueren Analyse untersucht werden, ob das Phänomen des Cybermobbings im Laufe der Schulzeit häufiger auftritt und ab wann ein Missbrauch der modernen Technologien für Kinder problematisch und gefährlich werden kann. Diese Problematik wird im übrigen Ende Juni an einer internationalen Konferenz in Paris zum Thema Cyberbullying vertieft.

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