Artikel

Gemeinsame Verlautbarung zu sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität

Abstract

Autorin: Christina Hausammann

Publiziert am 06.05.2011

Bedeutung für die Praxis:

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Gewalt und Menschenrechtsverletzungen gegenüber sexuellen Minderheiten müssen ein Ende haben. Dies fordert ein ‚Joint Statement‘, welches Kolumbien im Namen von 85 UNO-Mitgliedstaaten aus allen Regionen der Welt am 22. März 2011 im Menschenrechtsrat in Genf verlesen hat. Es handelt sich bei der gemeinsamen Verlautbarung zwar nicht um ein offizielles UNO-Dokument. Dennoch ist das Ereignis bemerkenswert, weil sich damit abzeichnet, dass Massnahmen zum Schutz von Menschen, welche aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität verfolgt werden, auf internationaler Ebene zunehmend an Rückhalt gewinnen.

Noch nie hat ein Joint Statement zur sexuellen Orientierung und Geschlechteridentität eine derart breite Unterstützung erhalten: Dem im März 2011 verlesenen ‚Joint Statement‘ schlossen sich nach der Sitzung drei weitere Staaten an. Es erhielt also die Unterstützung von insgesamt 88 Staaten. Frühere Erklärungen zum Thema im Menschenrechtsrat (2006) oder in der UNO-Generalversammlung (2008) erhielten die Unterstützung von nur 54, resp. 66 Staaten. Dieser Trend lässt hoffen, dass die oft kulturell begründeten Vorbehalte, die viele Staaten bisher gegen einen spezifischen Rechtsschutz für Angehörige der homosexuellen, bisexuellen, transgender und intersexuellen Minderheit ins Feld führten, ins Wanken geraten und vielleicht bald überwunden werden.

Thema im Auge behalten

«Wir rufen alle Sonderberichterstatter/innen, UNO-Ausschüsse und andere Verantwortliche auf, dieses wichtige Thema weiterhin in all ihren Mandaten im Auge zu behalten», hielten die NGOs in einer gemeinsamen Erklärung fest. Die Staaten hätten die gemeinsame Verantwortung, Menschenrechtsverletzungen gegen all jene, die marginalisiert seien, zu stoppen.

Der Verabschiedung des Statements zur sexuellen Orientierung war eine eingehende und kontroverse Debatte im Rat vorangegangen, in welcher sich relativ klare Fronten auftaten. Schon in früheren Auseinandersetzungen mit dem Thema hatten einige Staatsvertreter/innen Mühe bekundet mit dem Fokus auf eine Minderheit, welche sich über ihre sexuelle Orientierung und Geschlechtszugehörigkeit definieren lässt. Eine entsprechende Diskussion hatte etwa im Herbst 2010 in der Dritten Kommission der UNO-Generalversammlung in New York stattgefunden. Schon damals sprachen sich die afrikanische Gruppe, die arabische Gruppe sowie die Organisation der islamischen Konferenz dagegen aus, in einer bestimmten Passage die Rechte von homosexuellen, bisexuellen, transgender und intersexuellen Menschen besonders zu erwähnen.

Islamische und afrikanische Staaten bekunden Mühe

Die nun im März 2011 im Menschenrechtsrat erfolgte Debatte provozierte einige Staaten. Unter ihnen ist insbesondere Pakistan als Redner im Namen der Organisation der islamischen Konferenz (OIC) zu erwähnen. Der pakistanische Vertreter verurteilte die systematischen Bemühungen durch einige Staaten, den Begriff der sexuellen Orientierung im System der Vereinten Nationen aufzunehmen. Afrikanische Staaten wie Nigeria argumentierten ähnlich. Die afrikanischen Führer hätten während ihres Kampala-Gipfels im Sommer 2010 entschieden, dass sie die Integration des «unklaren Konzeptes» in internationales Recht nicht akzeptieren würden.

Die Afrikanische Gruppe kritisierte im übrigen auch generell die «zufällige und unzusammenhängende Art und Weise», in welche Sonderberichterstatter das Thema in der Vergangenheit aufgegriffen hätten. Das Konzept sexuelle Orientierung gehe gegen alles, wofür Afrika stehe, weil es die afrikanische Auffassung von Frauen, Kindern und Familie betreffe, sagte der nigerianische Vertreter. Die afrikanischen Probleme würden seitens der Sonderberichterstatter auf sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität reduziert, über Probleme wie Armut und Gesundheit schauten die Berichterstatter hingegen einfach hinweg.

Demgegenüber argumentierten die USA und Ungarn (im Namen der EU), dass der Schutz gegen Menschenrechtsverletzungen aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität keine neue Forderung sei, sondern dass die internationalen Menschenrechtsstandards diesen bereits fordern. Dieser Meinung schlossen sich erfreulicherweise schliesslich ein Grossteil der Staaten im UNO-Menschenrechtsrat an.

Ban Ki Moon: «Begriffe werfen empfindliche kulturelle Fragen auf»

Er verstehe, dass sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität empfindliche kulturelle Fragen aufwerfe, sagte im übrigen UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon im Januar 2011 in Genf zu dieser Diskussion. Aber kulturelle Praktiken könnten Menschenrechtsverletzungen nicht rechtfertigen (…). «Wenn Mitmenschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität verfolgt werden, müssen wir aufstehen und uns einsetzen… Die Menschenrechte sind die Rechte der Menschen überall und für alle.»

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