Artikel

Bundesgericht bestätigt Adoptionsverbot für gleichgeschlechtliche Paare

Abstract

Autorin: Christina Hausammann

Publiziert am 06.07.2011

Bedeutung für die Praxis

  • Das gesetzliche Verbot der Stiefkinderadoption für in eingetragener Partnerschaft lebende Partner/innen wird vom Bundesgericht geschützt.
  • Die Frage der Zulässigkeit der Stiefkinderadoption wird in nächster Zukunft vom EGMR in einem analogen Fall aus Frankreich behandelt werden.

Mit Urteil vom 5. Mai 2011 (5A_774/2010) lehnte das Bundesgericht mit äusserst knapper Begründung die Beschwerde einer seit März 2007 in eingetragener Partnerschaft lebenden Frau gegen die Verweigerung des Gesuches um Adoption des 2009 geborenen Kindes ihrer Partnerin ab.

Die Begründung der Vorinstanz

Die Vorinstanz, das Zürcher Obergericht, begründete ihren negativen Entscheid mit Hinweis auf die bestehende Rechtslage: Stiefkinderadoption stehe gemäss Art. 264a Abs. 2 ZGB lediglich verheirateten Personen offen und Personen, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, seien gemäss Art. 28 Partnerschaftsgesetz (PartG) generell nicht zur Adoption zugelassen. Die Nichtzulassung zur Adoption sei nicht individuell mit der fehlenden Eignung der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer sexuellen Orientierung begründet worden, sondern weil eben die gesetzliche Grundlage fehle. Ob das Adoptionsverbot von Art. 28 PartG verfassungswidrig sei, könne sodann nicht geprüft werden, da Bundesgesetze gemäss Art. 190 BV für die rechtsanwendenden Behörden massgebend seien. Offen bleiben könne auch, ob der Ausschluss der Stiefkinderadoption gegen Völkerrecht (Art. 8 und Art. 14 EMRK) verstosse.

Vor Bundesgericht machte die Beschwerdeführerin geltend, die Verweigerung der Stiefkinderadoption bei eingetragenen Partnern sei letztlich auf die sexuelle Orientierung zurückzuführen. Diese Diskriminierung verstosse gegen die Bundesverfassung (Art. 8, Art. 13 und Art. 14 BV) sowie gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (Art. 8 und Art. 14 EMRK). Sodann werde auch das Kind gleichgeschlechtlicher Partner wegen der fehlenden Möglichkeit der Stiefkinderadoption benachteiligt, was eine Verletzung von Art. 3 (Wohl des Kindes) und Art. 5 (Erziehungsrechte der Eltern) der UN-Kinderrechtskonvention darstelle.

Die Begründung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht stützte seine Begründung im Wesentlichen auf ein rein formales Element: Da eine Adoption durch den Stiefelternteil gemäss Art. 264a Abs. 3 ZGB frühestens nach fünf Ehejahren möglich sei, wobei die Zeitspanne zwischen Eheschluss und Adoptionsgesuch massgebend ist, erfülle die Beschwerdeführerin, die erst seit drei Jahren in einer eingetragenen Partnerschaft lebe, die Voraussetzungen, die auch für verheiratete Ehepaare gelten, nicht. Von einer Diskriminierung könne damit nicht ausgegangen werden; vielmehr wären Ehepaare diskriminiert, wenn homosexuelle Paare ohne Abwarten von Fristen das Kind des eingetragenen Partners adoptieren könnten. Ob das in Art. 28 PartG enthaltene Adoptionsverbot als solches mit der Bundesverfassung und dem Völkerrecht vereinbar ist, soweit dies aufgrund von Art. 190 BV überprüft werden dürfte, könne deshalb offen gelassen werden.

Die Tatsache, dass eine eingetragene Partnerschaft erst seit 1. Januar 2007 überhaupt möglich ist, hat das Bundesgericht nicht weiter erörtert. Mit keinem Wort ist das Bundesgericht sodann auf die Rüge eingegangen, dass das Adoptionsverbot für gleichgeschlechtliche Paare bzw. die Stiefkinderadoption die EMRK sowie die Kinderrechtskonvention verletze. Für die Beschwerdeführerin steht nun noch die Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) offen.

Die Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Adoption im Falle gleichgeschlechtlicher Paare

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte bis jetzt lediglich die Frage zu beurteilen, ob das Verbot der Einzeladoption für homosexuelle Personen gegen das Diskriminierungsverbot verstösst (Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK). In zwei Urteilen hat es sich mit dieser Frage auseinandergesetzt, wobei es 2002 das Gesuch um Einzeladoption eines homosexuellen Mannes noch abgelehnt hatte, 2008 dagegen die Verweigerung der Einzeladoption für eine in einer Partnerschaft lebende Frau als EMRK-widrig beurteilt hat.

In beiden Fällen stellte der EGMR vorerst klar, dass die EMRK kein Recht auf Adoption beinhalte. Sofern ein Staat indessen die Einzeladoption vorsehe, habe er sich an das Diskriminierungsverbot zu halten. Im Entscheid Fretté gegen Frankreich (Urteil vom 26. Februar 2002, Beschwerde 36515/97) schützte der EGMR das Adoptionsverbot für einen homosexuellen Mann, weil in den Vertragsstaaten noch kein wissenschaftlicher und rechtlicher Konsens hinsichtlich der Auswirkungen einer Adoption durch homosexuelle Paare auf das Kindeswohl bestehe und den Staaten in dieser Frage somit ein Beurteilungsspielraum zustehe. Mit dem Hinweis auf den Beurteilungsspielraum will der EGMR in Anbetracht der teilweise sehr unterschiedlichen kulturellen und juristischen Traditionen in den Vertragsstaaten die Balance zwischen den Verpflichtungen der Staaten im Rahmen der EMRK und deren Souveränität sicherstellen.

Im Fall E.B. gegen Frankreich (Urteil vom 22. Januar 2008, Beschwerde Nr. 43546/02) kam der EGMR zum Schluss, dass eine Verweigerung der Adoption allein aufgrund der Homosexualität gegen Art. 14 und Art. 8 EMRK verstosse. Der betroffenen Frau, die mit ihrer Partnerin in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebte, wurde eine Einzeladoption mit dem Hinweis auf die fehlende Vaterfigur verweigert. Der EGMR führte dagegen ins Feld, dass dieses Argument ebenso bei Einzeladoptionen von heterosexuellen Personen zu prüfen sei. Eine Differenzierung bei adoptionswilligen Personen nur aufgrund deren sexuellen Orientierung sei daher im Sinne von Art. 14 EMRK diskriminierend, weil sie nicht objektiv und vernünftig begründet sei.

Die Frage der Zulässigkeit der Stiefkinderadoption dürfte in nächster Zukunft vom EGMR entschieden werden. Er hat kürzlich die Beschwerde in einem zum schweizerischen analogen Fall als zulässig erklärt. Im Fall Gas und Dubois gegen Frankreich (Beschwerde Nr. 25951/07) wurde Valérie Gas die Adoption der von ihrer Partnerin im September 2000 mittels einer anonymen Samenspende gezeugten Tochter verweigert. Das Paar lebt seit 1989 zusammen und ging 2002 eine zivile Partnerschaft ein.

Der EGMR wird voraussichtlich wieder in erster Linie prüfen, wie weit sich der Konsens in den Europaratsstaaten zur Frage der Zulässigkeit der Stiefkinderadoption entwickelt hat. Erlaubt ist homosexuellen Paaren Stiefkinderadoption und gemeinsame Adoption zur Zeit in Belgien, Dänemark, Island, Holland, Norwegen, Spanien, Schweden und Grossbritannien; Stiefkinderadoption sodann in Finnland und in Deutschland.

Politische Vorstösse zur Änderung des Adoptionsverbots für gleichgeschlechtliche Paare in der Schweiz

In der Schweiz sind zurzeit zwei Vorstösse im Parlament hängig, die auf eine Änderung der momentanen Gesetzeslage abzielen: Der eine verlangt die Einführung der Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare (Motion Fehr), der andere die generelle Aufhebung des Adoptionsverbotes für Personen in eingetragener Partnerschaft (Motion Prelicz-Huber). Die Beratung der beiden Motionen steht noch aus.

Der Bundesrat beantragt bei beiden Vorstössen die Ablehnung. Er signalisierte in seiner Antwort Verständnis für das Anliegen, verwies allerdings darauf, dass die breite Akzeptanz des Partnerschaftsgesetzes in der Schweiz auch damit zu tun habe, dass mit ihm die Diskriminierung gleichgeschlechtlich veranlagter Personen beseitigt werden konnte, ohne den eingetragenen Partnern gleichzeitig den Weg zur Adoption (und zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung) zu öffnen. Im jetzigen Zeitpunkt halte er eine Revision von Artikel 28 PartG nicht für opportun.

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