Artikel

Dritte periodische Überprüfung (UPR) der Menschenrechtslage in der Schweiz

Zahlreiche Empfehlungen zum Diskriminierungsschutz

Abstract

Die Mitgliedstaaten des UNO-Menschenrechtsrats haben Anfang November 2017 zum dritten Mal die Umsetzung der Menschenrechte in der Schweiz überprüft. Bei rund einem Viertel der Empfehlungen ging es um die Verbesserung des Diskriminierungsschutzes.

Von Reto Locher
Publiziert am 23.01.2018

Die Schweiz hat im Rahmen der periodischen Überprüfung (UPR) der Menschenrechtslage durch den UNO-Menschenrechtsrat vom 9. November 2017 von 111 Staaten insgesamt 251 Empfehlungen zur Verbesserung ihrer Menschenrechtssituation erhalten. Davon hat sie 121 Empfehlungen umgehend angenommen, 67 umgehend abgelehnt und 63 Empfehlungen vorläufig offen gelassen. Über 60 Empfehlungen befassen sich mit dem Schutz vor Diskriminierung in der Schweiz. Näher betrachtet geht es dabei vor allem um Rassismus (23), Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der sexuellen Identität (LGBTI; 11), die Einführung eines allgemeinen Gesetzes zum Schutz vor Diskriminierung (8) sowie den Schutz von Menschen mit Behinderungen (7).

Keine Fortschritte beim Diskriminierungsschutz im Privatrecht

Bereits bei der zweiten Überprüfung im Jahr 2012 wurden mehrere Empfehlungen an die Schweiz gerichtet, welche die Einführung von expliziten rechtlichen Schutzmechanismen vor Diskriminierung im Privatrecht betrafen. Die Empfehlungen im dritten Überprüfungszyklus zeigen, dass die internationale Staatengemeinschaft der Verbesserung der Menschenrechtslage in diesem Bereich erneut grosse Bedeutung zumisst. Der Hintergrund der entsprechenden Forderungen besteht darin, dass der Schutz vor Diskriminierung zwischen Privatpersonen in der Schweiz vergleichsweise schwach ausgestaltet ist, während er im Verhältnis zwischen Individuum und Staat relativ gut ausgebaut ist, wie der im Jahr 2016 publizierten SKMR-Studie "Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen“ entnommen werden kann. Bei der Analyse der entsprechenden Rechtspraxis konnte eruiert werden, dass seit 1990 lediglich in 10 Gerichtsfällen die geltenden Bestimmungen des des Privatrechts zum Diskriminierungsschutz tatsächlich zur Anwendung kamen. Dies ist mit Blick auf die hohe Dunkelziffer bei Diskriminierungen namentlich im Arbeits- und Mietrecht eine äussert geringe Anzahl von Urteilen. Dies legt den Schluss nahe, dass der Rechtsschutz in diesem Bereich in der Praxis weitgehend wirkungslos ist.

Vor diesem Hintergrund mag es auf den ersten Blick erstaunen, dass die Schweiz diese Empfehlungen sofort abgelehnt hat, denn die in diesem Bereich offensichtlich bestehenden Schutzlücken können zu Recht kritisiert werden. Die Haltung der Schweiz in der UPR lässt sich auf die innenpolitische Situation zurückzuführen, denn Vorstösse zur Einführung expliziter Rechtsnormen zur Verbesserung des Diskriminierungsschutzes im Privatrecht sind im Nationalrat bislang gescheitert. Die ablehnende Haltung der Schweiz in der UPR entspricht damit ihrer ständigen Praxis im Zusammenhang mit internationalen Empfehlungen: Sie nimmt jene Empfehlungen an, welche sie im Rahmen einer Überprüfungsperiode auch umsetzen kann oder die – ihrer Einschätzung nach – bereits umgesetzt sind. Inhaltlich vermag diese Vorgehensweise jedoch nicht zu befriedigen und verhindert, Empfehlungen als Impulse zur Verbesserung der Menschenrechtslage innerhalb der Schweiz entgegenzunehmen.

Gemischte Bilanz beim Schutz von LGBTI-Personen

Differenzierter stellt sich die Reaktion der Schweiz bei den Empfehlungen zum Schutz von LGBTI-Personen dar. In diesem Bereich hat die Schweiz einen gewissen Handlungsbedarf anerkannt und einige Empfehlungen angenommen. So etwa bei der Aus- und Weiterbildung von Polizeiangehörigen, Staatsanwaltschaft, Richterinnen und Richtern und Sozialarbeitenden, um Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität zu verhindern. Zudem soll gesetzlich festgehalten werden, dass eine Änderung des Geschlechtseintrages nicht mehr zwingend an das Erfordernis einer Zwangssterilisation geknüpft werden darf – eine Forderung, die auch die Experten in der SKMR-Studie "Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen“ formulierten. Ausserdem hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2017 in einem Urteil gegen Frankreich entschieden, dass es unzulässig sei, Eingriffe, die zur Fortpflanzungsunfähigkeit führen oder das äussere Erscheinungsbild dauerhaft verändern, für die Änderung des amtlichen Geschlechts vorauszusetzen. Zwar hielt das Eidgenössische Amt für Zivilstandswesen bereits im Jahr 2012 fest, dass Sterilisationen und chirurgische Eingriffe nicht als Voraussetzung einer Personenstandsänderung gefordert werden dürfen. Die Empfehlung ist aber gleichwohl von Bedeutung, da die Voraussetzungen für die Änderung des Geschlechtseintrages in der Schweiz nach wie vor nicht gesetzlich geregelt sind und auch das Verbot der Zwangssterilisation nicht explizit festgehalten ist. Deshalb besteht auch keine einheitliche Praxis der Gerichte bei Änderung des Geschlechtseintrages.

Abgelehnt hat die Schweiz hingegen mehrere Empfehlungen, welche die Rechte von LGBTI-Personen stärken wollten, etwa betreffend die Einführung einer gesetzlichen Bestimmung, welche explizit auch LGBTI-Menschen vor Diskriminierung schützen sowie eine weitere Empfehlung betreffend die Einführung einer Strategie und eines Aktionsplans zur Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt gegen LGBTI-Menschen auf Bundesebene. Gerade beim Diskriminierungsschutz von LGBTI-Personen im Allgemeinen und von Transmenschen im Besonderen stellt die SKMR-Studie "Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen“ jedoch grosse Lücken fest. Die Studie empfiehlt deshalb, die Rechtslage von Transmenschen zu verbessern und zu prüfen, wie die Erhebung diskriminierungsrelevanter Daten systematisiert und verstärkt werden könnte, um bestehende Wissenslücken zu schliessen. Auch in diesem Zusammenhang hat die Schweiz eine Empfehlung abgelehnt, wonach das Bundesamt für Statistik im Rahmen seiner Datenerhebungen die Situation von Transmenschen aufnehmen und beleuchten sollte.

Einige offene Empfehlungen betreffend LGBTI

Für einige Empfehlungen zum Schutz von LGBTI-Personen nimmt sich die Schweiz bis im Frühjahr 2018 Zeit, um zu entscheiden, ob sie diese definitiv annimmt oder ablehnt. Eine dieser noch offenen Empfehlungen fordert die Einführung spezifischer gesetzlicher Bestimmungen, die Diskriminierung aufgrund von Geschlechtsidentität oder Intersex-Status verbietet. In diesem Kontext ist eine 2013 lancierte parlamentarische Initiative hängig, welche die Anti-Rassismusstrafnorm gemäss Art. 261bis StGB erweitern und Hassreden auch bei diskriminierenden Äusserungen betreffend die sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität für strafbar erklären will. Der entsprechende Gesetzesentwurf muss dem Nationalrat bis spätestens in der Frühjahrssession 2019 vorgelegt und von diesem behandelt werden.

Eine weitere offene Empfehlung fordert das Ergreifen der notwendigen Schritte zur Aufhebung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare, und zwar insbesondere dadurch, dass diese Paare heiraten und Kinder adoptieren können. In der jüngeren Vergangenheit hat die Schweiz hier insofern Fortschritte erzielt, als dass das Parlament in der Sommersession 2016 die Stiefkindadoption für schwule und lesbische Paare erlaubt hat, die in einer eingetragenen Partnerschaft oder in einem Konkubinat leben. Die entsprechenden Bestimmungen traten Anfang dieses Jahres in Kraft. Im Jahr 2013 lancierte der Nationalrat zudem die parlamentarische Initiative "Ehe für alle", wonach sowohl die Ehe, als auch die eingetragene Partnerschaft allen Paaren ungeachtet ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung offen stehen soll. Nicht vorgesehen ist dabei allerdings die Einführung eines Adoptionsrechts für homosexuelle Paare. Nach der Zustimmung durch die zuständigen Kommissionen beider Räte hat die Rechtskommission des Nationalrats nun bis im Sommer 2019 Zeit, eine Vorlage für die Umsetzung der Initiative auszuarbeiten, die auch noch vom Volk gutgeheissen werden müsste.

Durchzogenes Fazit

Insgesamt fällt die Bilanz damit gemischt aus. Während die Schweiz bei den Empfehlungen zur Verbesserung des privatrechtlichen Diskriminierungsschutzes seit jeher eine abwehrende Grundhaltung einnimmt, sind beim Schutz von LGBTI-Personen zumindest punktuell Fortschritte erzielt worden. Ob diese Fortschritte tatsächlich durch den UPR-Prozess gefördert wurden, ist allerdings schwer einzuschätzen. Abzuwarten bleibt, welche Haltung die Schweiz zu den noch offenen Empfehlungen einnehmen wird.

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