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Der Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung äussert sich zum Status vorläufig aufgenommener Personen (Ausweis F)
Im vorliegenden Fall liegt zwar keine Rassendiskriminierung vor, der Ausschuss ist aber dennoch der Ansicht, dass die betroffenen Personen durch ihren Status benachteiligt werden.
Abstract
Autorin: Fanny Matthey
(Übersetzung aus dem Französischen)
Bedeutung für die Praxis:
- Der Ausschuss hat sich mit dem Fall eines somalischen Staatsangehörigen befasst, der in der Schweiz über den Status einer vorläufig aufgenommenen Person (Ausweis F) verfügt. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass dieser Status gegen das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung verstösst.
- Im vorliegenden Fall ist der Ausschuss zum Schluss gekommen, dass das Vorgehen des Staates nicht gegen das Übereinkommen verstösst.
- Dennoch empfiehlt der Ausschuss der Schweiz, die Gesetzesbestimmungen bezüglich der vorläufigen Aufnahme zu überarbeiten, um sicherzustellen, dass die Grundrechte der betroffenen Personen gewährleistet sind.
Hintergrund
A.M.M. beantragt in der Schweiz Asyl und erhält den Status als vorläufig aufgenommene Person. Er bezieht Sozialhilfe in der Höhe von CHF 12.50 pro Tag. Die zuständige kantonale Behörde stellt ihm eine Unterkunft zur Verfügung und übernimmt die Krankenkassengebühren. A.M.M. legt ausführlich dar, welche Schritte er bisher unternommen hat, um eine Stelle zu finden (von 2000 bis 2002 ging er unter prekären Bedingungen einer Arbeit nach) oder um sich weiterzubilden (in der Hotellerie, wo er bereits 2 Jahre gearbeitet hat, oder an einer Universität). Zudem legt er auch andere Bereiche seines Privatlebens dar (medizinische Behandlung, Inspektion seiner Unterkunft, Verpflichtung, Verpflichtung Kurse über das „Leben in der Schweiz“ zu besuchen, Gesuche für eine Ausreisebewilligung usw.).
Vorläufige Aufnahmen
Die Schweiz hält in den Bemerkungen fest, dass die vorläufige Aufnahme keine Aufenthaltsbewilligung darstellt, sondern eine Ersatzmassnahme zu einem Wegweisungsentscheid ist. Weiter führt sie aus, dass die vorläufig aufgenommenen Personen zu den Zielgruppen bei der Integrationsförderung gehören. Diese beiden Aussagen widerspiegeln die Widersprüchlichkeit der vorläufigen Aufnahmen. Dieser Status zieht gewisse Verpflichtungen bzw. Einschränkungen mit sich:
- A.M.M. ist im Kanton Waadt wohnhaft. Der vorliegende Fall zeigt auf, dass die Kantone für den Zugang zum Arbeitsmarkt und zur Sozialhilfe sowie insbesondere für die Arztwahl und die Zuweisung einer Unterkunft zuständig sind.
- Damit Personen mit einem Ausweis F einer Arbeit nachgehen dürfen, muss der Arbeitgeber eine Bewilligung einholen. Erwerbstätige vorläufig Aufgenommene müssen eine Sonderabgabe von 10% ihres Einkommens an das Bundesamt für Migration (BFM) entrichten. Im vorliegenden Fall wurden zudem wöchentlich telefonische Kontrollen beim Arbeitgeber durchgeführt. Findet eine vorläufig aufgenommene Person in einem anderen Kanton eine Stelle, muss das BFM eine Bewilligung erteilen, damit die Person die Stelle antreten kann (im vorliegenden Fall abgelehnt).
- Um im Ausland eine Weiterbildung zu absolvieren, ist eine provisorische Aufnahmebestätigung erforderlich (was im vorliegenden Fall für die Erneuerung des Fähigkeitsausweises für die Schifffahrt abgelehnt wurde; für eine Weiterbildung in Deutschland lag offenbar eine Bestätigung vor). Auch der Zugang zu einer Universität untersteht strikten Regeln. Um sich an der Universität Lausanne einschreiben zu können, musste der Inhaber des Ausweises F im vorliegenden Falle über eine dreijährige Berufserfahrung verfügen. Die Immatrikulation von A.M.M. wurde abgelehnt. Er konnte sich hingegen an der Universität Genf einschreiben, erhielt jedoch keine Erlaubnis, den Kanton zu wechseln.
- Medizinische Behandlung: Inhaber eines Ausweises F dürfen im Notfall medizinisch behandelt werden. Für andere Behandlungen muss die zuständige kantonale Behörde zuerst eine Kostenübernahmegarantie erteilen.
- Bezüglich der Unterkunft ist vorgesehen, dass Kontrollen durchgeführt werden dürfen: Die zuständige Behörde darf unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen in Bezug auf das öffentliche Interesse und unter Wahrung des Verhältnismässigkeitsprinzips in die Unterkunft der Person eindringen (im vorliegenden Fall aus Hygienegründen und zur Ausmessung der Wohnung).
Rassendiskriminierung
A.M.M. gibt an, bei der Arbeit, der Weiterbildung, der medizinischen Versorgung, der Bewegungsfreiheit und beim Schutz seiner Privatsphäre Opfer von Diskriminierung geworden zu sein.
Der Ausschuss ruft in Erinnerung, dass der Ausdruck „Rassendiskriminierung“ im Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung „jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschliessung, Beschränkung oder Bevorzugung“ bezeichnet. Das Übereinkommen komme jedoch nicht zur Anwendung, wenn die Ungleichbehandlung beispielsweise auf der Staatsangehörigkeit oder Staatsbürgerschaft beruht.
Der vorliegende Fall
Der Ausschuss ist der Ansicht, dass es A.M.M. nicht gelungen ist, darzulegen, dass die Diskriminierung aufgrund seiner ethnischen oder nationalen Herkunft erfolgte und nicht aufgrund seines Status als vorläufig Aufgenommener. Es liegt somit keine Rassendiskriminierung vor.
Der Ausschuss ist jedoch zum Schluss gekommen, dass die Situation der vorläufig aufgenommenen Personen problematisch ist, und empfiehlt der Schweiz deshalb, die Gesetzgebung bezüglich der vorläufig Aufgenommenen zu überarbeiten, damit möglichst wenig Einschränkungen bei der Wahrnehmung und der Ausübung der Grundrechte, vor allem des Rechts auf Bewegungsfreiheit, bestehen, insbesondere wenn eine Person den Status längerfristig inne hat.