Abschlusspublikation

Grundrechte vulnerabler Personen verwirklichen

Publiziert am 04.10.2022

Einführung

Fallbeispiel: Politische Rechte für Menschen mit Behinderungen

Menschen, die unter umfassender Beistandschaft stehen oder durch eine vorsorgebeauftragte Person vertreten werden, sind auf Bundesebene von den politischen Rechten ausgeschlossen. Schätzungsweise 16 000 Personen mit geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen dürfen deshalb weder an eidgenössischen Abstimmungen noch an Wahlen teilnehmen. Dies gilt selbst dann, wenn sie in politischen Fragen urteilsfähig sind.

Fallbeispiel: Politische Mitwirkung bei fahrender Lebensweise

Die fahrende Lebensweise zeichnet sich u. a. dadurch aus, dass häufig keine besondere Nähe zu einer bestimmten Gemeinde oder einem Kanton besteht. Viele Fragen, die die fahrende Lebensweise zentral betreffen, werden aber auf Gemeinde- oder Kantonsebene entschieden, z. B. ob eine für Halteplätze geeignete Zone definiert wird oder ob für einen spontanen Halt eine Bewilligung nötig ist. Die Art und Weise, wie und wo diese Entscheide getroffen werden, erschwert es den Fahrenden, daran mitwirken zu können.

Fallbeispiel: Rechtsschutz für Armutsbetroffene

Sozialhilfebezüger*innen, die sich ungerecht behandelt fühlen und einen Entscheid gerichtlich überprüfen lassen möchten, müssen oft grosse Hürden überwinden. Trotz ihrer grossen Verletzlichkeit und der Komplexität des Rechtsgebiets erhalten sie wenig rechtliche Unterstützung. Nicht nur gibt es kaum spezialisierte Anwält*innen; auch die unentgeltliche Rechtspflege wird nur restriktiv gewährt; die Gerichte gehen davon aus, dass die Fälle keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten bereiten, die Klient*innen in der Lage seien, ihre Interessen und Rechte selbst zu wahren oder dass die Beschwerde als aussichtslos gilt.

Völker- und Verfassungsrecht verpflichten die Staaten, alle erforderlichen Anstrengungen zu unternehmen, um Grund- und Menschenrechte für alle nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich zu verwirklichen. Bis heute bestehen aber grosse Unterschiede beim Zugang zu und bei der Verwirklichung dieser Rechte. Es braucht deshalb zusätzliche Anstrengungen, um Rechte und Freiheiten für alle und insbesondere auch für besonders verletzliche Personen oder Personengruppen zugänglich zu machen. Doch wer ist überhaupt «vulnerabel»? Und in welchen Bereichen braucht es Massnahmen, damit das Versprechen der Verwirklichung der Grund- und Menschenrechte für alle Realität wird?

Analyse

«In a perfect world, one would need to go no further than the elegant phrases contained in the Universal Declaration of Human rights.»1 Die Welt ist nicht perfekt. Deshalb musste die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte bereits in ihrem zweiten Artikel klarstellen, dass Unterscheidungen nach «Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer und sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, nach Eigentum, Geburt oder sonstigen Umständen» verboten sind.2 Und deshalb setzte die UNO in der Folge eine Reihe von Konventionen in Kraft, die sich bestimmten Personen oder Personengruppen (z. B. Frauen, Kindern und Menschen mit Behinderungen) widmen. Zusätzlich wurden zahlreiche Sonderberichterstatter*innen oder unabhängige Expert*innen eingesetzt, die sich mit den Rechten bestimmter Personen bzw. Personengruppen beschäftigen (z. B. älteren Menschen und Migrant*innen).3

Diese Instrumente sind sinnvoll und leisten einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Menschenrechtssituation. Dennoch werfen sie auch Fragen auf: Weshalb werden in den internationalen Verträgen gewisse Diskriminierungsmerkmale explizit genannt und andere nicht? Weshalb existiert eine Konvention zum Schutz von Kindern, aber nicht von älteren Menschen? Welche Aufmerksamkeit erhalten Personen, deren Menschenrechte bedroht sind, für deren Anliegen aber kein*e Sonderberichterstatter*in und kein*e UNO-Expert*in mandatiert ist?

Auch in der schweizerischen Rechtsordnung wurde die allgemeine Rechtsgleichheit durch Diskriminierungsverbote und besondere Gesetze zum Schutz bestimmter Gruppen erweitert. Aber auch hier stellt sich die Frage, weshalb es z. B. ein Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern4 oder zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen5 gibt, jedoch bspw. keines zur Gleichstellung religiöser Minderheiten. Weshalb bekämpft eine eidgenössische Kommission den Rassismus, aber keine die Diskriminierung von LGBTIQ*-Personen? Hinter diesen Fragen steht auch eine Befürchtung: Hängt die Verwirklichung der Grund- und Menschenrechte vulnerabler Personen davon ab, wie wirkungsvoll sich eine Gruppe in der UNO oder in der Schweiz Gehör zu verschaffen vermag? Dies wiederum wirft die Frage auf, ob eine Definition von Vulnerabilität möglich ist, die festhält, welche Personen oder Personengruppen besonderer Aufmerksamkeit bedürfen.

Ein Definitionsversuch

Der Begriff der Vulnerabilität ist en vogue – trotz oder gerade wegen seiner Unbestimmtheit findet er Verbreitung in Medien, Politik und Alltagssprache so- wie in zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen, wie der sozialen Arbeit, der Ethik und des Risikomanagements. Auch im Recht und spezifischer im Menschenrechtsbereich erlebt der Begriff seit einiger Zeit eine Konjunktur.6

In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erschien der Begriff der besonderen Verletzlichkeit das erste Mal im Jahr 1977. Seither fand er in mehr als 2000 Urteilen Erwähnung,7 am häufigsten im Zusammenhang mit Rom*nija.8 Aber der Gerichtshof verwendet den Begriff Vulnerabilität auch zur Beschreibung und Würdigung so unterschiedlicher Lebenssituationen wie derjenigen von Kindern, Menschen am Lebensende, Menschen mit Behinderungen, Asylsuchenden, Menschen, denen die Freiheit entzogen ist, queeren Menschen und Armutsbetroffenen.9 Dabei ist seine Verwendung keineswegs konsistent, und es fehlt an einer einheitlichen Konzeptualisierung und Systematisierung.10

Obwohl der Begriff der Vulnerabilität in kaum einem UNO-Übereinkommen verwendet wird, findet er auch im UNO-System breite Verwendung.11 Einen grossen Stellenwert nimmt das Thema der Vulnerabilität insbesondere in der Arbeit des UNO-Sozialrechtsausschusses ein. Trotzdem gibt auch der Ausschuss keine Definition von Vulnerabilität.12 Angesichts der langen Liste von Personen, die von unterschiedlichen UNO-Institutionen als vulnerabel bezeichnet werden, wird die Nützlichkeit des Begriffs von verschiedenen Seiten infrage gestellt.13 Eine Begriffsdefinition ist deshalb zwar schwierig, aber dennoch sinnvoll.

Inspiriert von der Doktorarbeit von Nesa Zimmermann, soll Vulnerabilität hier als Zustand einer besonderen Verletzlichkeit definiert werden, der sich aus einer Kombination aus den Faktoren Risiko und Resilienz ergibt: Vulnerabel ist, wer einem erhöhten Risiko für Grund- und Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt ist (Risiko) und gleichzeitig wenig Ressourcen mobilisieren kann – materieller, psychologischer, sozialer, physischer oder anderer Natur –, um dieses Risiko zu minimieren oder sich bei seiner Verwirklichung zur Wehr zu setzen (Resilienz).14

Der grosse Vorteil dieser Definition ist, dass sie nicht auf einzelne Faktoren, die zu Vulnerabilität führen können, fokussiert und damit andere ausschliesst. Die Gründe für Vulnerabilität sind nämlich sehr vielfältig: Neben individuellen Gründen (z. B. Alter oder Krankheit) können auch situative (z. B. ein Freiheitsentzug oder fehlender Aufenthaltsstatus) oder strukturelle Gründe (z. B. Armut, Rassismus, LGBTIQ*-Feindlichkeit und weitere aktuelle und historische Formen der Diskriminierung) zu einer Situation der Vulnerabilität führen. Die einzelnen Gründe lassen sich manchmal schwer voneinander abgrenzen und beeinflussen sich gegenseitig.15 Bspw. kann eine diskriminierende Kündigung (strukturell) zu Arbeitslosigkeit (situativ) führen, was zu Depressionen oder an- deren psychischen Erkrankungen (individuell) führen kann, was wiederum neue Formen von Diskriminierung hervorrufen kann.

Vulnerabilität kann in diesem Verständnis auf individueller und auf Gruppenebene vorliegen. Letzteres ist der Fall, wenn ein bestimmtes «gemeinsames» Merkmal – wie Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung oder Hautfarbe – statistisch gesehen mit einem Nachteil im Bereich Risiko oder Resilienz verbunden ist. Ob sich der Nachteil im Einzelfall verwirklicht, ist dabei nicht entscheidend. Gruppen sind denn auch nicht als homogene Gebilde zu verstehen, denn das «Gemeinsame» der Gruppe kann sowohl selbstgewählt als auch zugeschrieben, tatsächlich oder vermeintlich, sichtbar und unsichtbar sein. Mehrfachzugehörigkeiten sind nicht nur möglich, sondern die Normalität.16 Die Antwort darauf, wer vulnerabel ist, ändert sich zudem je nach Situation und Zeit. Personen sind nicht per se vulnerabel, sondern meist in bestimmten Lebensbereichen oder -phasen mit besonderen Hindernissen konfrontiert. Wer vulnerabel ist und besonderen Schutz braucht, ist deshalb auch eine empirische Frage. Um Vulnerabilität besser verstehen und bekämpfen zu können, sind deshalb zusätzliche Forschungsanstrengungen nötig (Empfehlung a).

In welchen Bereichen braucht es Massnahmen, um das Risiko von Grund- und Menschenrechtsverletzungen zu vermindern oder die Resilienz vulnerabler Personen bzw. Personengruppen zu stärken? Im Folgenden konzentrieren wir uns auf Massnahmen in drei Bereichen, die aus unserer Sicht für die Bekämpfung von Vulnerabilität besonders wichtig sind.

Politische Mitbestimmung

Fehlende Mitbestimmung kann sowohl eine Ursache als auch eine Folge von Vulnerabilität sein. (Mehr) Mitbestimmung wiederum ist ein zentrales Mittel zur Überwindung von Vulnerabilität. Mitbestimmung kann in unterschiedlichen Bereichen erfolgen; in diesem Text wird auf den politischen Bereich fokussiert, in dem massgebliche Regeln des Zusammenlebens festgelegt werden.

Nur Stimm- und Wahlberechtigte können Referenden und Initiativen unter- schreiben, abstimmen und wählen oder in der Gemeindeversammlung einen Antrag stellen. Nur sie können mitreden, wenn es darum geht, rechtliche Grenzen der Rechte und Freiheiten Einzelner zu definieren und Massnahmen zum Schutz und zur Verwirklichung der Grundrechte festzulegen – oder davon abzusehen.17 Dabei kann sich nicht jede*r im politischen Prozess durchsetzen, aber jede*r erhält die Chance dazu. Politische Mitbestimmung ist deshalb auch ein Mittel der Integration, und die Demokratie ist für ihr Funktionieren auf eine möglichst grosse Übereinstimmung von Entscheidenden und Entscheidbetroffenen angewiesen.18 In der Schweiz sind aber fast 40 Prozent der Wohnbevölkerung nicht stimm- und wahlberechtigt, weil sie noch zu jung sind, unter umfassender Beistandschaft stehen oder keinen Schweizer Pass besitzen.19

Stimm- und Wahlrecht für Kinder öffnen

Die Grundrechte sehen keine Altersbegrenzung für die politischen Rechte vor.20 Gemäss der Bundesverfassung21 muss aber, wer auf Bundesebene politisch mitreden möchte, das 18. Altersjahr zurückgelegt haben. Als das Mindestalter 1991 vom 20. auf das 18. Altersjahr gesenkt wurde,22 wurde dies damit begründet, dass die Mehrheit der Jugendlichen bereits mit 18 Jahren die «politische Reife» erlange.23 Wir gehen aber davon aus, dass die Mehrheit der Kinder schon früher «politisch reif» bzw. «politisch urteilsfähig» ist. Weshalb dürfen diese Kinder ihre politischen Rechte – wie es die Bundesverfassung24 verlangt und wie es in anderen Rechtsbereichen der Fall ist – nicht im Rahmen ihrer Urteilsfähigkeit selbstständig ausüben?

Als Argument gegen die Senkung der politischen Volljährigkeit wird häufig vorgebracht, sie würde zu einem Auseinanderklaffen von unterschiedlichen rechtlich relevanten Altersgrenzen führen. Abgestufte Altersgrenzen existieren aber bereits heute (bspw. im Jugendstrafrecht) und sind auch sinnvoll, weil dadurch auf unterschiedliche Anforderungen, z. B. bezüglich Komplexität von Entscheiden, Rücksicht genommen werden kann.

Für einen gewissen Schematismus und gegen eine Beurteilung im Einzelfall sprechen hingegen Praktikabilitätsgründe. Weil bei Kindern gewisse Entwicklungsschritte sehr ähnlich ablaufen, sind Verallgemeinerungen auch eher zu rechtfertigen als z. B. bei älteren Menschen. Verallgemeinerungen dürfen sich aber nicht an einer Minderheit orientieren. Der Massstab muss die Mehrheit sein.

Aktuell wird über die Herabsetzung auf das 16. Altersjahr nachgedacht.25 Auch wenn die moderate Herabsetzung um zwei Jahre und damit auf ein Alter, mit dem auf kantonaler Ebene bereits Erfahrungen gesammelt wurde,26 aus politischen und strategischen Gründen nachvollziehbar ist, wäre aus grundrechtlicher Sicht eine stärkere Senkung zu befürworten, falls die Mehrheit der Kinder bereits früher politisch urteilsfähig ist.27 Entsprechende Abklärungen sind nötig (Empfehlung b).

Stimm- und Wahlrecht für Menschen mit Behinderungen öffnen

Die Bundesverfassung schliesst Personen, die «wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt sind», von den politischen Rechten aus (vgl. Fallbeispiel «Politische Rechte für Menschen mit Behinderungen»).28 Das Gesetz versteht darunter u. a. Personen, die wegen dauernder Urteilsunfähigkeit unter umfassender Beistandschaft stehen.29 Die Regelung wird so umgesetzt, dass allen Personen unter umfassender Beistandschaft die politischen Rechte entzogen werden – es wird nicht im Einzelfall geprüft, ob der betreffenden Person die Urteilsfähigkeit im Hinblick auf die Wahrnehmung der politischen Rechte fehlt.30 Dies ist äusserst schematisch und berücksichtigt etwa nicht, dass die politische Urteilsfähigkeit auch davon abhängt, wie eine politische Frage gestellt und erläutert wird und dass sie durch Instrumente wie Wahlhilfen beeinflusst werden kann:

Bonne pratique : Guide pour voter facile à lire

Insieme Schweiz, die Dachorganisation der Elternvereine für Menschen mit geistiger Behinderung, publizierte 2019 eine Wahlhilfe zu den eidgenössischen Wahlen. Die in Leichter Sprache verfasste Broschüre soll es Personen mit geistiger Behinderung erlauben, an den Wahlen teilzunehmen. Das Projekt wurde vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung finanziell unterstützt und trägt dazu bei, eine Verpflichtung aus der Behindertenrechtskonvention zu erfüllen, nämlich Wahlverfahren und -informationen zugänglich und leicht verständlich zu machen.31

Der formelle Ausschluss von Personen unter umfassender Beistandschaft, der stark stigmatisierend wirkt, scheint aufgrund der kleinen Zahl von Betroffenen32 und des schweren Eingriffs auch nicht verhältnismässig. Er ist zudem nicht mit der Behindertenrechtskonvention33 vereinbar.34 Der Kanton Genf hat deshalb 2020 die Kantonsverfassung angepasst, sodass auch Bürger*innen unter umfassender Beistandschaft an Abstimmungen und Wahlen teilnehmen können.35 Die Zeit ist reif, dass dieser Schritt auch auf Bundesebene erfolgt (Empfehlung b).

Stimm- und Wahlrecht für Personen ohne Schweizer Pass öffnen

Die politischen Rechte auf Bundesebene setzen den Schweizer Pass voraus.36 Der Ausschluss von Personen ohne Schweizer Pass kann nicht – wie bei Kindern oder Menschen unter umfassender Beistandschaft – mit der fehlenden kognitiven Entwicklung begründet werden. Vielmehr wird über die politischen Rechte definiert, wer zum «Volk» gehört und wer nicht. Dies zeigt etwa der langjährige Ausschluss von Armen, Verurteilten und Frauen von den politischen Rechten, der in keinerlei Zusammenhang mit der politischen Urteilsfähigkeit der Betroffenen stand.

Obwohl der Ausschluss von Ausländer*innen von politischen Rechten völkerrechtlich erlaubt ist, ist er vor dem Hintergrund des Gleichheitsgebots problematisch. Es entspricht der Idee der Demokratie, eine möglichst vollständige Übereinstimmung von Herrschenden und Beherrschten herzustellen. Die langfristige Zugehörigkeit zu einem politischen Gemeinwesen sollte deshalb das entscheidende Kriterium für die Frage der politischen Teilhabe sein. Wer hier lebt, soll auf allen politischen Ebenen mitbestimmen können.37 Konsultative Mechanismen, die auf Freiwilligkeit und Überzeugung setzen,38 mögen zwar gewisse Probleme abmildern, reichen aber nicht aus (Empfehlung b).

Politische Partizipation und Repräsentation vulnerabler Gruppen fördern

Gewissen vulnerablen Gruppen stehen demokratische Mitwirkungsrechte rechtlich offen, sie machen aber nicht gleichberechtigt davon Gebrauch – oder nur mit geringer Chance auf Erfolg. Dies zeigt sich in der Unterrepräsentation gewisser Gruppen, wie etwa Frauen, Personen mit wenig Schulbildung und Geringverdienenden, in Abstimmungen und Wahlen.39 Deshalb reicht es nicht, dass formale Hürden bei der Ausübung der politischen Rechte abgebaut werden. Es braucht auch positive Massnahmen.40

Eine wichtige Voraussetzung, damit die politischen Rechte nicht nur auf dem Papier bestehen, ist, dass ihre Ausübung nicht mit logistischen Hürden verbunden ist. Diesem Ziel dienen etwa mobile Wahllokale und Abstimmungsmöglichkeiten in Einrichtungen des täglichen Lebens wie Schulhäusern oder Supermärkten. In gewissen Ländern ist es gesetzlich vorgesehen, Wahllokale in Langzeiteinrichtungen zu installieren, was vulnerablen Personen zugutekommt.41 Im Kanton Neuenburg können ältere, kranke oder behinderte Menschen beantragen, dass sie ihr Stimmrecht direkt an ihrem Wohnsitz ausüben können42 (Empfehlung c).

Abstimmungs- und Wahlinformationen müssen für alle zugänglich und verständlich sein. Dies gilt insbesondere auch für Menschen mit einer Beeinträchtigung. Geht es um Sinnesbeeinträchtigungen, bestehen sowohl auf Bundes- als auch auf kantonaler Ebene gute Praxisbeispiele, die aber noch ausgeweitet werden können. So erscheinen etwa die Erklärvideos zu jeder eidgenössischen Abstimmungsvorlage auch in Gebärdensprache.43 Für den Bund sowie 17 Kantone und acht Gemeinden können Abstimmungsinformationen als Hör-CD bzw. Audiodatei bezogen werden,44 was nicht nur für sehbehinderte Personen, sondern auch für Personen mit Leseschwierigkeiten von Interesse ist (Empfehlung d).

Auch wenn sich Angehörige vulnerabler Gruppen am politischen Prozess beteiligen, laufen sie Gefahr, sich nicht durchsetzen zu können und z. B. überstimmt oder nicht gewählt zu werden.45 Grundsätzlich gehört dies zum politischen Prozess. Es ist aber problematisch, wenn Gesetze gemacht werden, die vulnerable Personen besonders betreffen, ohne dass sich diese angemessen am Meinungsbildungsprozess beteiligen und ihre Sicht einbringen können.

Abhilfe schaffen können hier Konsultativmechanismen, die vulnerable Gruppen in politische Prozesse einbeziehen und dabei auf ihre spezifischen und vielleicht unterschiedlichen Bedürfnisse Rücksicht nehmen. Die Stiftung «Zukunft für Schweizer Fahrende» etwa nimmt an kantonalen und eidgenössischen Mitwirkungs- oder Vernehmlassungsverfahren teil und kann dadurch die fehlende Vertretung der nicht-territorialen Minderheit der Fahrenden teilweise kompensieren (vgl. Fallbeispiel «Politische Mitwirkung bei fahrender Lebensweise»). Sie erfüllt aber die Anforderungen der UNO an solche Konsultativgremien nicht. Diesen gemäss brauchen solche Gremien eine gesetzliche Grundlage, in welcher der Einbezug des Konsultativgremiums verbindlich vorgeschrieben ist. Der Einbezug muss ernsthaft, regelmässig und dauerhaft erfolgen. Die Gremien müssen über genügend Ressourcen verfügen, um ihre Aufgaben wahrzunehmen, und die vulnerable Gruppe tatsächlich vertreten.46 Die Stiftung «Zukunft für Schweizer Fahrende» verfügt aber nur über wenige Stellenprozente, und der Stiftungsrat setzt sich nur zur Hälfte aus Vertreter*innen von Fahrenden zusammen. Die andere Hälfte der Mitglieder vertreten Bund, Kantone oder Gemeinden (Empfehlung e).

Es ist aber auch an der Zeit, darüber nachzudenken, wie die Vielfalt der Schweiz in den zentralen politischen Gremien besser abgebildet werden kann. Um der Unterrepräsentation bestimmter Gruppen auf parlamentarischer Ebene zu begegnen, sollen Parteien etwa dazu ermuntert oder verpflichtet werden, auf den Wahllisten eine gewisse Anzahl Vertreter*innen vulnerabler Gruppen aufzuführen (vgl. Good Practice «FairElection»)47 (Empfehlung f).

Bonne pratique : « FairElection »

Das Projekt FairElection unterstützt politische Organisationen bei der Auswahl von Kandidierenden anhand von Repräsentationskriterien, die sie selbst festlegen können. In einem ersten Schritt können Mitglieder oder Sympathisant*innen einer Partei Repräsentationskriterien, wie z. B. Geschlecht, Alter oder Bildungsniveau, festlegen. Danach wird eine Wahl organisiert, bei der die Wählenden in ihrer Wahlfreiheit nicht eingeschränkt sind. Über das Wahlergebnis wird ein Algorithmus gelegt, der dafür sorgt, dass die Gruppe der Gewählten den Repräsentationskriterien entspricht.48 Ziel des Verfahrens ist es, gleichzeitig die Diversität der Wahllisten zu erhöhen und die Präferenz der Wählenden bestmöglich zu wahren.

Zugang zum Recht

Vulnerable Personen sind einer grösseren Gefahr ausgesetzt, Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu werden. Dieses Risiko kann, wie gezeigt, verringert werden, wenn sie vermehrt an politischen Prozessen mitwirken und dies zu politischen und – im Endeffekt – auch gesellschaftlichen Änderungen führt. Dennoch ist es möglich, dass sich die Gesetzgebung direkt oder indirekt gegen historisch oder gegenwärtig benachteiligte Personen oder Personengruppen richtet – oder von Massnahmen absieht, die für die Chancengleichheit wichtig wären. Für diese Fälle ist ein effektiver Zugang zum Recht wichtig. Weil sich vulnerable Personen im Allgemeinen aber auch schlechter als andere gegen Menschenrechtsverletzungen zur Wehr setzen können (tiefere Resilienz) – etwa, weil ihnen die persönlichen oder finanziellen Ressourcen für den Rechtsweg fehlen –, muss der Zugang zum Recht den Bedürfnissen vulnerabler Personen angepasst werden. Sonst bleiben Verletzungen von Grund- und Menschenrechten ungeahndet.

Im Folgenden sollen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit49 – einzelne Punkte hervorgehoben werden, die einen Einfluss auf die Durchsetzung von Grund- und Menschenrechten von vulnerablen Personen haben. Zu beachten ist dabei, dass sich grundrechtliche Fragen sowohl in zivil- als auch in straf- und verwaltungsrechtlichen Verfahren stellen können. Schon die Tatsache, dass bei diesen Verfahren unterschiedliche Regeln und Maximen gelten, kann dabei auf die Rechtsuchenden abschreckend wirken.50 Ganz generell stellt sich deshalb die Frage nach den Faktoren, die den Zugang zum Recht vereinfachen.

Abbau prozessrechtlicher Hürden

Prozessrechtliche Vorgaben, wie z. B. wer zur Beschwerde vor Gericht legitimiert ist, innerhalb welcher Frist die Beschwerde eingereicht werden muss und ob Kostenvorschüsse geleistet werden müssen, schränken den Zugang zur Justiz ein. Sie müssen deshalb eine gesetzliche Grundlage haben, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.51 Die Verhältnismässigkeit ist nach einem besonders strengen Massstab zu prüfen, wenn vulnerable Personen betroffen sind.

Ein Faktor, der den Zugang zum Recht erschwert, sind die Kosten bzw. das Kostenrisiko.52 Die unentgeltliche Rechtspflege hat deshalb zum Ziel, Kostenrisiken für bestimmte Vulnerabilitäten abzufedern. Sie kommt in der Schweiz aber zu selten – und im Verwaltungsverfahren zu spät – zum Zug. Eine Studie zum Rechtsschutz von Armutsbetroffenen kam etwa zum Schluss, dass die Hürden für einen unentgeltlichen Rechtsbeistand – trotz der Komplexität des Rechtsgebiets – hoch sind. Sie empfahl gerade auch im Beschwerdeverfahren innerhalb der Verwaltung, wo die Weichen für das weitere Verfahren gestellt werden, vermehrt eine Vertretung zuzusprechen (vgl. Fallbeispiel «Rechtsschutz für Armutsbetroffene»). Ein Ausbau ist aber auch in anderen Bereichen, etwa im Bereich des Straf- und Massnahmenvollzugs, nötig (Empfehlung g).53 Die gleiche Studie empfahl auch, Verfahren vermehrt mündlich durchzuführen, weil schriftliche Verfahren für Armutsbetroffene eine hohe Hürde darstellen.54 Auch weitere vulnerable Gruppen ziehen möglicherweise mündliche Verfahren vor, andere dagegen schätzen es, in einem schriftlichen Verfahren «unsichtbar» und dadurch gegebenenfalls geschützt(er) zu bleiben. Es wäre deshalb wichtig, dass vulnerable Personen selbst entscheiden können, ob das Verfahren mündlich oder schriftlich geführt wird (Empfehlung h).

In vielen für vulnerable Gruppen zentralen Rechtsbereichen gilt der Untersuchungsgrundsatz, bei dem die Behörde den Sachverhalt erforscht. Dies stellt für die Betroffenen eine Verfahrenserleichterung dar. Im Bereich des Behindertengleichstellungsgesetzes gilt aber der Verhandlungsgrundsatz, d. h. das Gericht ist an das Vorbringen der Parteien gebunden.55 Dies entspricht nicht den Standards im EU/EWR-Raum, die im Diskriminierungsbereich fordern, dass das Gericht den Sachverhalt von Amtes wegen feststellen muss. Eine Studie des SKMR empfahl deshalb die Ausdehnung des Untersuchungsgrundsatzes auf diesen und andere Bereiche.56 Die Empfehlung wurde bis jetzt nicht umgesetzt, ist aber nach wie vor gültig (Empfehlung i).

Eine zentrale Frage beim Zugang zum Recht bildet die Beweislastverteilung.57 In der Schweiz bestehen Beweislasterleichterungen im Zusammenhang mit Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts (vgl. Kapitel 9).58 In anderen Bereichen, wie z. B. der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, fehlen sie.59 Diskriminierungen sind aber schwer zu beweisen. Das SKMR empfahl deshalb in der erwähnten Studie die Einführung einer Beweislasterleichterung für alle Diskriminierungsfälle in zivil- und öffentlich-rechtlichen Verfahren.56 Bis jetzt wurde die Empfehlung nicht umgesetzt und ist deshalb immer noch aktuell60 (Empfehlung j).

Eine weitere Hürde bilden die erhöhten Anforderungen an die Begründung, die das Bundesgericht in Grund- und Menschenrechtsfällen aufstellt. Demgemäss prüft es den Vorwurf einer Verletzung von Grund- und Menschenrechten nur, wenn er in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet wird.61 Dies ergibt sich allerdings nicht aus der Bundesverfassung.62 Es ist auch nicht sinnvoll, denn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellt weniger hohe Anforderungen an die Begründung und erklärt deshalb Fälle für zulässig, die vor Bundesgericht an den formellen Voraussetzungen des Bundesgerichtsgesetzes scheitern.63 Es ist auch nicht einzusehen, warum gerade dort erhöhte Anforderungen an die Rüge gestellt werden, wo es um die Durchsetzung fundamentaler Werte geht – und es liegt auf der Hand, dass vulnerable Personen durch diesen Umstand besonders benachteiligt werden64 (Empfehlung k).

Ausbau der Verbandsbeschwerderechte

Gewisse prozessrechtliche Hürden können durch die Verbandsbeschwerde kompensiert werden, die Interessenorganisationen zur Beschwerde legitimiert. Solche ideellen Verbandsbeschwerderechte haben zum Ziel, im Verfahren vorhandene Chancenungleichheiten auszugleichen.65 Sie benötigen eine Grundlage in einem Bundesgesetz. Aktuell sind ideelle Verbandsbeschwerderechte für vulnerable Gruppen in zwei Gesetzen vorgesehen: dem Behindertengleichstellungsgesetz66 und dem Gleichstellungsgesetz (vgl. Kapitel 9).67 Beide Bestimmungen kennen zwar auch gewichtige Einschränkungen,68 eröffnen aber wichtige Handlungsspielräume, die z. B. bei Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung, der «Rasse»,69 der ethnischen Herkunft oder der Religion nicht bestehen.70 Diesen Betroffenen steht nur auf dem Gebiet des Persönlichkeitsrechts ein Verbandsbeschwerderecht zu,71 das aber bis heute praktisch irrelevant geblieben ist.72 Eine Ausdehnung auf das gesamte Zivilgesetzbuch wird im Rahmen der Revision der Zivilprozessordnung geprüft.73 Dies wäre im Interesse des Schutzes von vulnerablen Personen. So würden z. B. Verbandsbechwerden zum Schutz von Menschen in Wohn- und Pflegeeinrichtungen möglich74 (Empfehlung l).

Unterstützung durch Rechtsberatungsstellen

Rechtsberatungsstellen sind für vulnerable Personen zentral, weil sie einen niederschwelligen Zugang zu rechtlichen Informationen ermöglichen. Sie sind be- sonders dort wichtig, wo die Vertretung durch Anwält*innen erschwert ist, sei es, weil sich nur wenige auf das entsprechende Rechtsgebiet spezialisiert haben, sei es, weil die Kosten hoch und die Aussichten auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand ungewiss sind. Das SKMR hat auf die ungenügenden finanziellen und personellen Mittel von Beratungsstellen hingewiesen und insbesondere kritisiert, dass im LGBTIQ*-Bereich keinerlei staatliche Finanzierung besteht.75 Auch im Bereich der Rechtsberatung von Armutsbetroffenen übersteigt die Nachfrage das Angebot deutlich, weshalb eine Finanzierung unabhängiger Beratungsstellen empfohlen wird76 (Empfehlung m).

Sensibilisierung und Bekämpfung von Stereotypen

Die individuelle, situative und strukturelle Vulnerabilität ist meist auch dadurch gekennzeichnet, dass sich betroffene Personen mit Vorurteilen und negativen Stereotypen konfrontiert sehen. Dies kann dazu führen, dass ihre Bedürfnisse nicht beachtet werden oder als unwichtig erscheinen. Die mangelnde gesellschaftliche Anerkennung von und Aufmerksamkeit für vulnerable Personen erhöht so das Risiko von Menschenrechtsverletzungen und die Bereitschaft, diese ungeahndet zu lassen. Massnahmen, die ein gesellschaftliches Umdenken anstossen und fördern, sind deshalb unerlässlich. Wirksam sind etwa Aus- und Weiterbildungen, die Mitarbeitende von Behörden und Gerichten für die Bedürfnisse besonders verletzlicher Personen sensibilisieren (Empfehlung n).77

Hilfreich sind aber auch Instrumente wie Leitfäden, Formulare etc., die bei der Erkennung und Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen gegenüber vulnerablen Personen unterstützen (Empfehlung o):

Bonne pratique : Outil en ligne pour identifier les personnes vulnérables

Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylverfahren hat ein Online-Instrument zur Ermittlung von Menschen mit hoher Vulnerabilität entwickelt.78 Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter der Schweiz kritisierte in ihrem letzten Bericht zu den Bundesasylzentren, dass das Instrument bei den Mitarbeitenden in den Zentren kaum bekannt ist, begrüsste aber, dass das Staatssekretariat für Migration die Ausarbeitung eines eigenen Leitfadens zur Erkennung und Identifizierung vulnerabler Personen versprach.79

Eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von negativen Stereotypen gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen spielen in der Schweiz eidgenössische Fachstellen und -kommissionen.80 Bei näherer Betrachtung der entsprechenden Stellen fallen zwei Dinge auf: Erstens fehlen Anlaufstellen für gewisse vulnerable Gruppen, so namentlich LGBTIQ*-Menschen,81 aber z. B. auch Armutsbetroffene. Dies mag teils mit unterschiedlichen Zuständigkeiten zu tun haben, teils aber auch mit unterschiedlichen (politischen) Prioritäten und Sensibilitäten. Gerade wenn es um Sensibilisierung und Information geht, würde aber auch der Bund in der Verantwortung stehen. Zweitens ist das Feld der Akteur*innen thematisch stark fragmentiert. Ein*e Akteur*in, der/die eine Gesamtsicht vertritt und bspw. auch Mehrfachdiskriminierungen angehen könnte, fehlt.82 Dieser sektorielle Ansatz zeigt sich auch auf Gesetzesebene, wo unterschiedliche Gesetze mit unterschiedlichen Anwendungsbereichen für unterschiedliche Themen bestehen. Der sektorielle Ansatz mag gewisse Vorteile haben,83 ist aber auch mit wesentlichen Nachteilen verbunden.84 Zwar stimmt es, dass nicht alle vulnerablen Gruppen die gleichen Bedürfnisse haben und die Definition eines gemeinsamen Gesetzes eine Herausforderung ist.85 Stellen wir uns hingegen ein Gesetz vor, das nicht einfach die bestehenden Ansätze ersetzt, sondern ergänzend wirkt, indem es Lücken schliesst und für Kohärenz sorgt, überwiegen vermutlich die Vorteile.86 Ein solches Gesetz könnte z. B. gewisse Begriffe definieren, eine Ansprechstelle auf Bundesebene schaffen, die Koordination von Massnahmen garantieren, verfahrensrechtliche Erleichterungen festlegen und für die bessere empirische Erfassung von Vulnerabilität sorgen (Empfehlung p).

Empfehlungen

Ein starker Schutz der Menschenrechte in der Schweiz heisst:

a Der Bund fördert empirische Forschung zu Vulnerabilität.
b Alle erwachsenen Personen mit Wohnsitz in der Schweiz, unabhängig von ihrer Nationalität und ihrer geistigen und psychischen Gesundheit, besitzen die politischen Rechte auf allen politischen Ebenen in der Schweiz. Für Kinder und Jugendliche gilt ein Stimmrechtsalter, das sich an der politischen Urteilsfähigkeit der Mehrheit der Kinder und Jugendlichen orientiert.
c Das Stimm- und Wahlrecht kann in Einrichtungen des täglichen Lebens (wie z. B. Schulen oder Pflegeinstitutionen) ausgeübt werden.
d Abstimmungs- und Wahlinformationen sind schweizweit in unterschiedlichen Laut- und Zeichensprachen, inklusive Leichter Sprache, zugänglich.
e Massgeschneiderte und inklusive Konsultativmechanismen stellen sicher, dass die Anliegen vulnerabler Gruppen, die im politischen Prozess benachteiligt sind, Gehör finden.
f Anreize oder Vorgaben zur Wahllistengestaltung stellen sicher, dass vulnerable Personengruppen in den Parlamenten angemessen vertreten sind.
g Vulnerable Personen erhalten unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie Grund- oder Menschenrechtsverletzungen geltend machen.
h Vulnerable Personen können frei zwischen mündlich und schriftlich durchgeführten Verfahren auswählen.
i Gerichte erforschen in allen für vulnerable Gruppen sensiblen Rechtsgebieten den Sachverhalt von Amtes wegen und entlasten dadurch die Gerichtsparteien (Ausweitung des Untersuchungsgrundsatzes).
j Beweislasterleichterungen gelten in allen für vulnerable Gruppen sensiblen Rechtsgebieten.
k Der Grundsatz, dass das Gericht das Recht von Amtes wegen anwendet, gilt auch für die Grundrechte. Eine besondere Begründungspflicht besteht nicht.
l Interessenorganisationen können bei Benachteiligungen für vulnerable Menschen und Gruppen vor Gericht gehen (Ausweitung der ideellen Verbandsbeschwerderechte).
m Rechtsberatungsstellen unterstützen vulnerable Personen kostengünstig bei rechtlichen Fragen.
n Mitglieder von Behörden und Gerichten sind im Umgang mit vulnerablen Personen geschult.
o Leitfäden, Standardprozesse, Formulare und Checklisten unterstützen Behörden bei der Identifizierung vulnerabler Personen und bei der Berücksichtigung von deren Bedürfnissen.
p Ein Gesetz für Gleichberechtigung und zur Bekämpfung von Diskriminierung stellt sicher, dass die Rechte aller vulnerablen Personen in der Schweiz umfassend verwirklicht werden.
Fussnoten
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