Artikel

Umfassende Massnahmen zum Schutz vor Diskriminierung

Eine ganze Reihe von UPR-Empfehlungen fordert ein allgemeines Gesetz gegen Diskriminierung

Abstract

Autorinnen: Eva Maria Belser, Andrea Egbuna-Joss

Publiziert am 14.03.2013

Zusammenfassung:

  • Besonders viele Empfehlungen anderer Staaten befassen sich mit verschiedenen Formen der Diskriminierung.
  • Die Schweiz wird aufgefordert, mit zusätzlichen gesetzgeberischen und anderen Massnahmen für ein friedliches Miteinander und den besseren Schutz der Rechte benachteiligter Personen und Personengruppen sorgen.
  • Der Schweiz wird insbesondere nahe gelegt, den sektoriellen Ansatz des schweizerischen Diskriminierungsschutzes durch ein allgemeines, schweizweit wirksames Diskriminierungsgesetz zu ergänzen.
  • Von den vorerst noch offen gelassenen Empfehlungen 123.24, 123.28, 123.29, 123.31, 123.35, 123.39 und 123.76 hat der Bundesrat am 27. Februar mit Ausnahme der Empfehlung 123.31 (Einführung von umfassenden Antidiskriminierungsstrategien) alle abgelehnt.

Ähnliche Empfehlungen verschiedener internationaler Gremien

Bereits während des ersten UPR-Verfahrens im Jahre 2008 standen die Gleichberechtigung und der Schutz vor Diskriminierung im Mittelpunkt des Interesses. In diesem Bereich hat die Schweiz damals die meisten der an sie herangetragenen Empfehlungen zurückgewiesen. Im Jahre 2010 empfahl ausserdem der UNO-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Schweiz, nicht nur die bestehenden Gesetze zum Schutz vor Diskriminierung besser durchzusetzen, sondern eine umfassende Anti-Diskriminierungsgesetzgebung zu verabschieden und landesweit einheitlich umzusetzen (Ausschuss für WSK-Rechte, Concluding Observations Switzerland 2010, Ziff. 7). Im Februar 2012 schliesslich trug der Kommissar für Menschenrechte des Europarates, Thomas Hammarberg, die gleiche Empfehlung an die Schweiz heran. Hammarberg machte insbesondere geltend, ein sektorieller Ansatz des Diskriminierungsschutzes führe notwendigerweise zu Lücken und der grundrechtliche Schutz von Art. 8 BV bleibe ungenügend, wenn er nicht durch ein Gesetz konkretisiert und auch unter Privaten wirksam gemacht würde. In ihrer Antwort machte die Schweiz geltend, das Fehlen eines allgemeinen Anti-Diskriminierungsgesetzes auf Bundesebene führe nicht zu einer echten materiellen Schutzlücke, sondern sei Ausdruck der Besonderheit der Schweizer Rechtsordnung und im Zusammenhang mit der monistischen Tradition und der föderalistischen Kompetenzordnung zu sehen (vgl. Dokumentation auf humanrights.ch).

Anlässlich der zweiten UPR-Überprüfung fordern nun wiederum neun Staaten die Schweiz auf, den Schutz vor Diskriminierung zu verbessern und ein allgemeines Gesetz zum Diskriminierungsschutz zu schaffen (Empfehlungen 123.24, 123.27, 123.28, 123.29, 123.31, 123.35, 123.39 und 123.76). Damit wird immer deutlicher, dass die Schweiz in Bezug auf den Schutz vor Diskriminierungen einen Sonderzug fährt, der sich nur unzureichend mit dem völkerrechtlichen Monismus oder mit dem föderalistischen Staatsaufbau erklären lässt, und der von ausländischen Beobachtern immer weniger verstanden wird.

Keine Ratifikation eines allgemeinen völkerrechtlichen Diskriminierungsverbotes

Die Schweiz kennt mit Art. 8 BV zwar ein allgemeines Grundrecht auf Rechtsgleichheit und ein Diskriminierungsverbot. Im Rahmen der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK ist sie jedoch nur durch das akzessorische Diskriminierungsverbot gebunden (d.h. ein Verbot, das nur im Zusammenhang mit der Verletzung anderer EMRK-Rechte gerügt werden kann). Eine Ratifikation des 12. Zusatzprotokolls zur EMRK, das ein allgemeines Diskriminierungsverbot vorsieht, hat die Schweiz trotz verschiedener Vorstösse bis anhin abgelehnt. Auch der UNO-Pakt II kennt in Art. 26 ein allgemeines Diskriminierungsverbot, zu dem die Schweiz jedoch einen Vorbehalt angebracht und den Anwendungsbereich auf die anderen im Pakt verbrieften Rechte beschränkt hat.

Analyse

Die Zurückhaltung der Schweiz in Bezug auf ein allgemeines Diskriminierungsgesetz ist auf verschiedene Gründe zurückzuführen, auf die der Bundesrat teilweise auch in den erläuternden Bemerkungen zur Ablehnung der Empfehlungen hinweist. Erstens macht die Schweiz zu Recht darauf aufmerksam, dass der sektorielle Ansatz (der insbesondere auf die Gleichstellung von Mann und Frau, die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und in neuerer Zeit auch auf die Gleichstellung von Personen mit Behinderungen zielt) in vielen Bereichen zu Erfolgen geführt hat. Zweitens berührt ein allgemeines Diskriminierungsgesetz in vielen Bereichen die Zuständigkeiten der Kantone, namentlich in den Bereichen Gesundheit und Bildung, und wirft deshalb Fragen in Bezug auf den Föderalismus auf. Drittens mag der Schweiz auch Sorgen bereiten, dass sich einige in Bezug auf die Rechtsgleichheit und das Diskriminierungsverbot problematische Bestimmungen in Bundesgesetzen finden (früher vor allem im Zivilgesetzbuch, heute vorwiegend im Ausländer- und Asylbereich), zu deren Anwendung das Bundesgericht aufgrund der eingeschränkten Verfassungsgerichtsbarkeit verpflichtet ist (vgl. Beitrag im SKMR-Newsletter vom 6. Mai 2011). Viertens schliesslich ist unklar, inwieweit ein allgemeines Diskriminierungsgesetz auch auf Private anwendbar wäre bzw. sein müsste.

Trotz dieser Einwände und Bedenken ist es offensichtlich an der Zeit, dass die Schweiz ihren Umgang mit Diskriminierungsfragen ernsthaft prüft. Die internationalen Empfehlungen stehen ausserdem im Einklang mit politischen Forderungen im Innern, die im Parlament und durch die Zivilgesellschaft mit immer mehr Nachdruck erhoben werden.

Die Kritik, dass der von der Schweiz verfolgte sektorielle Ansatz zu Schutzlücken führe und ausserdem schlecht gewappnet sei, um wirksam gegen Mehrfachdiskriminierungen vorzugehen, ist ernst zu nehmen. Auch die Empfehlung, beim Schutz vor Diskriminierungen nicht nur auf traditionelle gerichtliche Schutzmechanismen zu setzen, sondern das Angebot an niederschwelligen Interventionsmöglichkeiten, wie etwa Ombudsstellen, systematisch auszubauen und so sicherzustellen, dass diskriminierte und damit oft besonders verletzliche Personengruppen Zugang zum Recht haben, sollte vertieft geprüft werden.

Dabei ist die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen zu achten. Doch diese sollte nicht als Vorwand benutzt werden, um Vorgaben des Völkerrechts und der Bundesverfassung zu übergehen. Die Zuständigkeiten der Kantone stehen stets unter dem Vorbehalt der Grundrechte. Auch im Bereich ihrer originären Zuständigkeiten sind die Kantone bereits heute ohne weiteres an das Diskriminierungsverbot von Art. 8 Abs. 2 BV gebunden.

Schliesslich besteht Dringlichkeit, die Frage der Horizontalwirkung des Diskriminierungsverbots zu klären. Dass es privaten Arbeitgebern, Vermietern und Versicherern grundsätzlich frei steht, Personen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Rasse, ihrer sozialen Stellung, ihrer Lebensform oder ihrer Religion zu benachteiligen, bedarf der Überprüfung.

Ausblick

Obwohl die Schweiz die Verabschiedung eines umfassenden Antidiskriminierungsgesetzes abgelehnt hat, hat sie anerkannt, dass die tatsächliche Wirksamkeit der geltenden Bestimmungen zum Schutz vor Diskriminierung genauer untersucht werden muss. 2012 hat der Bund daher das SKMR beauftragt, eine Studie über den Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen auszuarbeiten. Die Studie ist derzeit in Vorbereitung. Zudem hat das Parlament im Dezember 2012 den Bundesrat ersucht, einen Bericht über das geltende Recht sowie präventive Massnahmen gegen Diskriminierung vorlegen.

Es ist zu hoffen, dass die von diesen Arbeiten allenfalls aufgezeigten Schutzlücken anschliessend zügig geschlossen werden.

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