Artikel

Reform der UNO-Vertragsorgane

Erste Einschätzungen aus Sicht der Praxis

Abstract

Autorin: Marianne Hochuli

Publiziert am 21.10.2014

Zusammenfassung:

  • Die am 9. April 2014 von der UNO-Generalversammlung nach einem langwierigen Prozess verabschiedete Resolution zur Reform der UNO-Vertragsorgane ist von zahlreichen Kompromissen geprägt und verzichtet auf grundsätzliche Neuerungen.
  • An einer Veranstaltung des SKMR kamen involvierte Akteure in einer ersten Analyse zu einer unterschiedlichen Beurteilung, ob der Reformprozess die verfolgten Ziele erreichen wird.
  • Behörden und die Zivilgesellschaft in der Schweiz sind von den Reformen im Bereich der Vorbereitung von Staatenberichten betroffen: Künftig werden die Staatenberichte im Wesentlichen aus Antworten zu Fragen bestehen und damit kürzer und fokussierter sein, der Zeitplan wird voraussehbarer, die NGOs werden mit ihren Schattenberichten zudem nicht erst nach Vorliegen des Staatenberichts tätig werden können, sondern bekommen Gelegenheit, bereits im Vorfeld der Erarbeitung der Fragelisten Einfluss zu nehmen.

Ein Massnahmenpaket für die unter Druck geratenen UNO-Vertragsorgane

Die Umsetzung der zehn grundlegenden UNO-Menschenrechtsabkommen wird durch Experten-Ausschüsse überwacht. Diese Vertragsorgane bilden die Grundpfeiler des internationalen Menschenrechtssystems. Die Prüfung periodischer Berichte der Vertragsstaaten zur Umsetzung der Vertragsverpflichtungen und die Entscheide zu Individualbeschwerden bilden ihre Kernaufgaben. In den vergangenen Jahren ist dieses System zur Überwachung des vertraglichen Menschenrechtsschutzes jedoch zunehmend auf Schwierigkeiten und Herausforderungen gestossen.

Der Abschluss zusätzlicher Abkommen und die Schaffung entsprechender neuer Vertragsorgane sowie die steigenden Ratifizierungen und die damit einhergehende wachsende Berichterstattung führten zu einer Mehrbelastung bei den Staaten und den Ausschüssen. Viele Vertragsstaaten reichten ihre Berichte zu spät ein, einige gar überhaupt nicht. Dies bedeutete, dass jene Staaten, welche ihre Berichtspflichten erfüllten, sich menschenrechtlicher Kritik aussetzten, während jene, welche diese Pflichten missachteten, ungeschoren davon kamen. Auf Seiten der Ausschüsse kam es durch die steigende Arbeitslast zu teilweise grossen Rückständen bei der Behandlung von Staatenberichten und ebenso vermehrt von Individualbeschwerden. Gleichzeitig blieben die zur Verfügung stehenden Ressourcen weitgehend unverändert und folglich unzureichend. Berechnungen zeigten, dass mangels Kapazitäten das System wegen völliger Arbeitsüberlastung zum Erliegen gekommen wäre, hätten alle Staaten ihre Berichterstattungspflicht rechtzeitig erfüllt. Die Glaubwürdigkeit des gesamten Systems geriet somit zunehmend ins Wanken.

Obschon eine Reform des Systems unumgänglich wurde und erste Diskussionen dazu bereits im Jahr 2002 begannen, verabschiedete die UNO-Generalversammlung erst am 9. April 2014 die Resolution zur Stärkung und Aufwertung eines funktionierenden UNO-Menschenrechtssystems (A/RES/68/268). Darin enthalten ist ein Bündel von Massnahmen zur Verbesserung der Effizienz, Transparenz und Harmonisierung der Arbeit der UNO-Vertragsorgane (vgl. dazu SKMR-Newsletterbeitrag vom 5. Juni 2014). Dies sind die wichtigsten Massnahmen:

  • Erstellen der Staatenberichte auf der Grundlage einer Liste von zu behandelnden Themen, welche den Staaten vom zuständigen Vertragsorgan rechtzeitig vor dem vorgesehenen Zeitpunkt der Behandlung zugestellt wird (vereinfachtes Berichterstattungsverfahren).
  • Zusätzliche Tagungszeiten der Ausschüsse um Rückstände bei der Behandlung der Berichte zu beheben und künftig zu vermeiden.
  • Gemeinsames Grundlagendokument, das im Berichtsverfahren eines Staates für alle Ausschüsse verwendet wird, und Beschränkung des Umfanges der Dokumente im Staatenberichtsverfahren.
  • Verschiedene Massnahmen im Bereich des capacity buildings (u.a. Training, Wissenstransfer etc.), um die Staaten im Berichtsverfahren zu unterstützen.
  • Einsparnisse hauptsächlich bei den Druck- und Übersetzungskosten, um die neuen Massnahmen zu finanzieren.

SKMR-Veranstaltung zum Ausblick auf die Auswirkungen der Reform

Wie ist dieses Reformpaket zu beurteilen? Können die Mängel im System dadurch behoben werden? Und welche praktischen Auswirkungen wird die Reform auf die Arbeit der Staaten im Rahmen der Staatenberichtsverfahren und auf die Rolle der NGOs haben? Für eine erste Einschätzung zu den verabschiedeten Massnahmen führte das SKMR am 19. August 2014 eine Veranstaltung durch. Unter dem Titel „UN human rights treaty body reform: The outcome from a Swiss perspective” diskutierten der Vorsitzende des UNO-Menschenrechtsausschusses, Sir Nigel Rodley, sowie Patrick Egloff, Leiter Sektion UNO-GV und ECOSOC des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), Prof. Dr. iur. Frank Schürmann, Leiter Fachbereich Internationaler Menschenrechtsschutz des Bundesamts für Justiz, und Manon Schick, Geschäftsleiterin von Amnesty International Schweiz. Mit Blick auf ihre verschiedenen Tätigkeitsfelder kamen die Referentin und Referenten zu einer unterschiedlichen Beurteilung über die längerfristigen Auswirkungen der Reformmassnahmen, was zu einer kontroversen Analyse führte.

Diverse Anliegen und Herausforderungen im Verhandlungsprozess

Wie die Ausführungen von Patrick Egloff zu den Verhandlungen im Rahmen des Reformprozesses zeigten, dauerten diese lange und gestalteten sich schwierig. Erste Reformansätze ab 2002 gingen auf die generelle Reform der UNO zurück. Die Idee, alle Vertragsorgane in ein permanentes Organ zusammenzulegen und den Staaten zu erlauben, in einem Bericht gleichzeitig über alle von ihnen ratifizierten Menschenrechtskonventionen zu berichten, scheiterte jedoch frühzeitig. 2009 initiierte die damalige Hochkommissarin für Menschenrechte Navi Pillay einen Mehrparteiendialog, um konkrete Ideen zur Stärkung des UNO-Vertragssystems zu entwickeln. Ende 2011, kurz vor dem absehbaren Abschluss des so angestossenen „Dublin Prozesses“, bemängelte eine Gruppe von Staaten um Russland („Cross-Regional Group“), dass der Reformprozess von den Staaten und nicht von der Hochkommissarin geführt werden müsste. Es gelang der Gruppe, in der Generalversammlung für diese Idee eine Mehrheit zu finden und die Diskussionen im Juli 2012 von der vorwiegend technischen Ebene in Genf zu einer vermehrt politischen Diskussion in New York zu verschieben. Menschenrechtsorganisationen interpretierten dies als Versuch der „Cross-Regional Group“, echte Reformen im Keim zu ersticken und die Vertragsorgane zu schwächen.

Im Reformprozess sollten verschiedene Herausforderungen angegangen werden. Neben der Verbesserung gewisser technischer Elemente ging es vor allem um die Harmonisierung der Arbeitsmethoden der verschiedenen Ausschüsse bei der Prüfung von Staatenberichten. Zudem schlug die Hochkommissarin für Menschenrechte einen Masterkalender vor, welcher die Planung der gesamten Prozesse aller Ausschüsse verbessern sollte. Die Idee war, dass in einem Zyklus von fünf Jahren jeder Staat jedem Vertragsorgan seinen Bericht zur Behandlung unterbreitet. Staaten, welche keinen Bericht vorlegten, hätten trotzdem behandelt werden sollen. Des Weiteren wurden im Prozess konkrete Mechanismen zum Follow-up zu den Empfehlungen der UNO-Vertragsorgane angestrebt.

Eine Schwierigkeit war gemäss Egloff, die politischen Implikationen der technischen Details und das übergeordnete politische Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Denn von Seiten der Gegner der Reform, welche über beste verfahrenstechnische Kenntnisse verfügten, bestand die Gefahr, dass einzelne Verfahrensfragen genutzt würden, um den Verhandlungsprozess zu verlangsamen.

Ein zentrales Ziel der Reform sollte auch die Stärkung der internationalen Koordination sein. Nicht nur die Beziehung zwischen den einzelnen Vertragsorganen, sondern auch jene der Ausschüsse mit den Staaten, der Zivilgesellschaft und den UNO-Sonderberichterstattenden sollte gefördert werden. Mit Blick auf eine fundierte Berichterstattung und eine umfassendere Umsetzung der Empfehlungen in den Vertragsstaaten wurde zudem eine vermehrte Koordination auf nationaler Ebene angestrebt. Weiter waren der verbesserte Zugang zum System der UNO-Vertragsorgane und dessen erhöhte Visibilität wichtige Anliegen. Neben der vermehrten Nutzung neuer Kommunikationstechnologien ging es dabei unter anderem auch um den freien Zugang von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern, die mit den UNO-Vertragsorganen interagieren und aus diesem Grund in gewissen Ländern Repressalien erwarten müssen.

Für viele Akteure war zudem die Beibehaltung der Unabhängigkeit der Expertinnen und Experten essentiell für die Glaubwürdigkeit und Integrität des Systems. So erachtete es auch die Schweiz als zentrales Element, dass qualifizierte Kandidatinnen und Kandidaten bereitstehen müssen, welche unabhängig von ihrem Heimatland agieren können. Den menschenrechtskritischen Staaten war gerade diese Unabhängigkeit ein Dorn im Auge. Sie hatten zum Ziel, einen Verhaltenskodex durchzusetzen, um unliebsame Ausschussmitglieder sanktionieren und deren Unabhängigkeit beschränken zu können.

Schliesslich forderten diverse Akteure mehr Ressourcen für die Arbeit der Vertragsorgane und das Büro des Hochkommissariats für Menschenrechte. Die Finanzierung allfälliger Neuerungen stellte eine grosse Herausforderung im Prozess dar. Navi Pillay schlug deshalb vor, kostensparende Massnahmen anzuwenden und die so gewonnenen Mittel für Neuerungen zu reinvestieren. Berechnungen zeigten etwa, dass mit der Reduktion der Seitenzahl von UNO-Dokumenten, die in alle UNO-Amtssprachen übersetzt werden müssen, die hohen Übersetzungskosten drastisch reduziert werden können.

Gemäss Egloff gab es für die Schweizer Verhandlungsdelegation gewisse Schlüsselfaktoren, welche für ein gut funktionierendes System zentral sind, und deshalb zu verteidigen waren. Dazu gehörten die Unabhängigkeit der Expertinnen und Experten, die Stärkung der Prozesse des Staatenberichtsverfahrens und der daraus folgenden Empfehlungen durch die Ausschüsse an die Staaten sowie das Individualbeschwerdeverfahren.

Resultate der Reform und erste Einschätzungen durch zentrale Akteure

Die ersten Einschätzungen zu den Resultaten aus dem Reformprozess fielen bei den Akteuren unterschiedlich aus.

Egloff kam zu einer insgesamt positiven Einschätzung des Reformprozesses. Den „grossen Sprung“ stelle das Ergebnis zwar nicht dar, unter den gegebenen Umständen sei jedoch das bestmögliche Resultat erzielt worden. Es sei gelungen, den Versuch der „Cross-Regional Group“ zur Schwächung der Vertragsorgane und den Angriff auf die Unabhängigkeit ihrer Mitglieder abzuwehren und mit pragmatischen Lösungen einige echte Verbesserungen zu erreichen.

Sir Nigel, Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses, sah insbesondere in der zusätzlichen Sitzungszeit für die Ausschüsse einen wesentlichen Mehrwert der Reform. Allerdings, gab er zu bedenken, lasse sich der künftige zeitliche Aufwand kaum mehr mit der Ehrenamtlichkeit des Mandates vereinbaren. Zuversichtlich zeigte er sich darüber, dass das vereinfachte Verfahren bei den Vertragsstaaten auf Akzeptanz stossen werde und verwies auf die damit gemachten positiven Erfahrungen des Menschenrechtsausschusses. Mit dem vereinfachten Verfahren würde es zudem schwieriger werden, Berichte mit jahrelanger Verspätung abzuliefern. Schliesslich betonte er die zentrale Rolle, die der Zivilgesellschaft und den nationalen Menschenrechtsinstitutionen in diesem Verfahren zukomme. Die Ausschüsse seien auf die Informationen der NGOs angewiesen. Diese müssten jedoch bereits im Zeitpunkt der Erstellung der Themenliste der Ausschüsse Schattenberichte erstellen, wenn sie künftig Einfluss nehmen wollen.

Frank Schürmann erachtete insbesondere die prozeduralen Veränderungen in diesem Bereich für zentral und erfreulich. Die Reformmassnahmen würden es den Vertragsorganen erlauben, ihre Effizienz zu steigern, ihre Arbeit zielgerichteter zu gestalten und die Qualität ihrer Empfehlungen sicherzustellen. Ein langfristiger Effekt des Reformprozesses könnte aus seiner Sicht auch sein, dass die Berichterstattungsverfahren durch die internen Akteure positiver aufgenommen werden und die Menschenrechtsorgane dadurch an Ansehen und Glaubwürdigkeit gewinnen.

Manon Schick, Geschäftsleiterin von Amnesty International Schweiz, zeigte sich dagegen davon überzeugt, dass man sich noch vermehrt darum kümmern müsse, geeignete Systeme zur Umsetzung der Empfehlungen aufzubauen, da die konkrete Wirkung der Empfehlungen auf die Menschenrechtssituation in den betroffenen Ländern nach wie vor nicht genau gemessen werden könne. Zwar gäbe es einige Verbesserungen, welche die Vertragsorgane etwas entlasten dürften. Jedoch blieben laut Schick die systemischen Probleme ungelöst. So seien Themen wie die Verbreitung und Umsetzung der Empfehlungen sowie der Zugang zu diesen nur ungenügend angegangen worden.

Mögliche Konsequenzen für die Vorbereitung von Staatenberichten in der Schweiz

Im Rahmen der Resolution wurden diverse technische Veränderungen verabschiedet. Einerseits wird den Vertragsorganen empfohlen, den Staaten das vereinfachte Berichterstattungsverfahren anzubieten: Dieses Verfahren, welches bisher nur vom Menschenrechtsausschuss, dem Anti-Folterausschuss und dem Ausschuss für die Rechte von Wanderarbeitnehmern auf freiwilliger Basis angeboten wird, sieht vor, dass der Ausschuss zu Beginn eines Berichterstattungszyklus dem betroffenen Staat eine Liste mit den zu behandelnden Themen vorgibt, bevor dieser seinen Bericht verfasst. In Verbindung mit den neu festgelegten Obergrenzen des Umfangs sollen die Berichte damit kürzer und fokussierter sowie die Effizienz des Verfahrens gesteigert werden. Zwar wird in der Resolution dieses Verfahren nur als mögliche Option angeführt. Wie Sir Nigel betonte, zeigte das Treffen der Vorsitzenden der Ausschüsse der Vertragsorgane vom Juni 2014 jedoch eine grosse Bereitschaft, dieses Verfahren in allen Ausschüssen einzuführen und die Arbeitsmethoden zu vereinheitlichen.

Die Schweiz hat das vereinfachte Verfahren bereits für zwei Ausschüsse akzeptiert. Wird dieses für alle Ausschüsse Standard, ist generell eine beträchtliche Reduktion der Arbeitslast der involvierten Stellen in der Schweiz zu erwarten. Einige sehen allerdings im Vergleich zum klassischen Verfahren keinen wesentlichen Unterschied, da beim Einreichen eines neuen Staatenberichts die Empfehlungen aus der letzten Berichterstattung jeweils als Basis und daher bereits als eine Art „list of issues“ dienen. Wie Frank Schürmann ausführte, wird von gewissen Bundesämtern sogar ein Vorteil darin gesehen, dass sich die involvierten Stellen in regelmässigen Abständen mit der Umsetzung aller vertraglichen Bestimmungen auseinandersetzen müssen. Zwar fällt dies mit dem vereinfachten Verfahren weg. Weiterhin werden die Ausschüsse jedoch generell nach Massnahmen fragen, die der Staat ergriffen hat und nicht durch die „list of issues“ abgedeckt sind, was diese Reflektion – zumindest teilweise – auch in Zukunft möglich machen wird.

Sinnvoll erscheint auch ein gemeinsames Grundlagendokument zuhanden aller Ausschüsse, das allgemeine Fragen (z.B. zum Verhältnis zwischen den Konventionen und dem schweizerischen Landesrecht oder zum Föderalismus) behandelt, da damit Wiederholungen in den einzelnen Berichten vermieden werden können. So kann ein kohärentes Bild der Elemente, welche sich in allen Berichterstattungsverfahren wiederfinden, sichergestellt werden. Die letzte Aktualisierung des gemeinsamen Grundlagendokuments der Schweiz datiert allerdings von 2001. Daher wird heute darauf in den Berichten nicht mehr Bezug genommen. Die Reform sollte für die Schweiz ein Anreiz sein, möglichst bald ein neues Grundlagendokument zu erstellen.

Des Weiteren dürfte die Beschränkung des Umfangs der bereitgestellten Informationen den Aufwand der involvierten Stellen auf Bundes- und Kantonsebene reduzieren. Um diese Vorgabe jedoch zu erfüllen, brauche es – wie Frank Schürmann betonte – auch konzise Fragebögen der Ausschüsse, welche nicht nach zu vielen Detailinformationen verlangen. Dies wird in der Resolution angestrebt und die Vorsitzenden der Vertragsausschüsse haben angekündigt, dass die Zeichenbeschränkung der Staatenberichte als Anhaltspunkt für die zu stellenden Fragen dienen soll.

Kapazitätsaufbau und verbesserte Koordination für eine umfassendere Umsetzung der Empfehlungen

Ein wichtiger Aspekt der Resolution ist der Entscheid, die Staaten beim Aufbau von Kapazitäten im Zusammenhang mit der Umsetzung der Vertragsverpflichtungen und dem Verfassen von Berichten zu unterstützen. So wurde dem Bedürfnis (insbesondere afrikanischer Staaten) nach zusätzlichen Mitteln im Sinne eines capacity buildings Rechnung getragen.

Eine Herausforderung in der Schweiz stellt die Koordination vor allem zwischen den Bundesstellen und den Kantonen dar. Auch zu diesem Thema findet sich in der Resolution ein Hinweis. Zwar wurden keine regelmässigen nationalen Berichterstattungs- und Koordinationsmechanismen verabschiedet, wie dies von der Hochkommissarin für Menschenrechte gefordert worden war, aber Ziff. 20 der Resolution erkennt, dass gewisse Staaten von einer verbesserten Koordination der Berichterstattung auf nationaler Ebene profitieren würden, und fordert das Büro des Hochkommissariats für Menschenrechte auf, im Rahmen seiner Massnahmen zur technischen Unterstützung entsprechende Hilfe anzubieten. Die Schweiz ist hier schon auf einem guten Weg. So will der Bund eine Stelle schaffen, welche die verschiedenen Berichterstattungsverfahren koordiniert. Ein konkreter Vorschlag wird gegenwärtig geprüft.

Visibilität fördern, Zugang erleichtern, aber Repressalien verhindern

Im Bereich Kommunikation sieht die Resolution vor, die öffentlichen Treffen der Vertragsorgane zu übertragen, jedoch mit der Einschränkung, dass dies „sobald wie möglich“ umgesetzt werden soll. Es werden hierfür keine zusätzlichen Mittel gesprochen. Wie Manon Schick befürchtet, könnte sich dieser Prozess damit verzögern. Ihrer Meinung nach würde es in Zukunft neuer und anderer Arbeitsmethoden und insbesondere der Nutzung sozialer Medien bedürfen, um die Opfer von Menschenrechtsverletzungen und einen grösseren Teil der Bevölkerung besser erreichen zu können. Zusätzlich wertvoll wären Mittel wie Webcasts und Videokonferenzen für den Zugang zu den Sitzungen aufgrund der beschränkten Möglichkeit gewisser NGOs, nach Genf zu reisen.

In diesem Zusammenhang ist auch das Problem der Repressalien anzusprechen. Schick äusserte Bedenken bezüglich der Sicherheit von NGO-Vertreterinnen und Vertretern. So sei in gewissen Staaten das Risiko für Repressalien durch die Regierung sehr hoch. In der Resolution werden alle Akte der Einschüchterung und Vergeltungsmassnahmen gegenüber Personen, welche zu den Arbeiten der Menschenrechtsvertragsorgane beitragen, zutiefst verurteilt. Auf gezielte Mechanismen zum Schutz von Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft konnte man sich im Reformprozess aber nicht einigen. Im Rahmen des Treffens der Vorsitzenden der Ausschüsse wurde im Juni 2014 festgehalten, dass jedes Vertragsorgan einen Focal Point haben sollte, welcher sich um Repressalien kümmert. Ausserdem sollen gemeinsame Richtlinien gegen Repressalien entwickelt werden.

Unabhängigkeit wird gewahrt

Dem Ruf gewisser Staaten nach Einschränkungen der Unabhängigkeit der Vertragsorgane und einem Verhaltenskodex wurde mit kleineren Zugeständnissen in der Resolution entgegen gekommen, indem man vermehrt die Formulierung wählte, dass die Vertragsorgane im Rahmen ihres Mandates handeln sollen und die Sicht der Staaten zu berücksichtigen sei. Die Resolution heisst einen Verhaltenskodex nicht gut, sondern ermuntert die Vertragsausschüsse dazu, ihre selbstregulierenden Leitlinien zur Unabhängigkeit zu überarbeiten. Vor allem aber bestätigt die Resolution in Ziff. 35 explizit die Bedeutung der Unabhängigkeit und der Unparteilichkeit der Mitglieder der Vertragsorgane, was, wie oben beschrieben, auch einem zentralen Anliegen der Schweiz entspricht.

Umverteilung von Ressourcen

Die finanziellen Auswirkungen der Reform sollen minimal bleiben, was auch den Wünschen der grossen Geldgeber entgegenkommt. Um dieses Ziel zu erreichen, sieht die Resolution eine Reduktion der Konferenzdienste (Dokumentenverarbeitung, Übersetzung und Dolmetschleistungen) vor, womit sich Kosteneinsparungen von 19,2 Millionen US-Dollar pro Jahr ergeben. Ein grosser Teil hiervon wird für zusätzliche Sitzungszeit der Vertragsausschüsse von mehr als 20% reinvestiert. 4,5 Millionen US-Dollar pro Jahr wurden zudem für die Erstellung eines Programms für den Kapazitätsaufbau und technische Hilfe für Länder, die diese beanspruchen möchten, gesprochen (vgl. Broecker/O’Flaherty, 2014).

Resolution ist erst der Anfang der Reform

Die Umsetzung der Reform wird aus Sicht aller Akteure längere Zeit dauern und die tatsächlichen Auswirkungen werden erst nach einigen Jahren bekannt sein. Die Resolution schreibt eine zweijährliche Überprüfung der beschlossenen Massnahmen vor, womit der Erfolg der Reform periodisch analysiert werden soll. Bereits jetzt hat die Reform jedoch dazu beigetragen, dass die unterschiedlichen Vertragsorgane sich zu einem kohärenten System zur Überwachung des vertraglichen Menschenrechtsschutzes entwickelt und als solches profiliert haben, was ursprünglich nicht so angedacht war.
Auch wenn eine erste Verantwortung für die Umsetzung der Resolution bei den Vertragsorganen und dem Büro des Hochkommissariats für Menschenrechte liegt, können und sollten die Zivilgesellschaft und die Staaten ihren Beitrag zur Stärkung der Vertragsorgane leisten. Um die Reform tatsächlich umzusetzen und die Vertragsorgane längerfristig zu stärken, bedarf es der koordinierten Anstrengungen aller involvierten Akteure. Abschliessend kann man mit einem Fazit von Frank Schürmann wohl im Sinne aller involvierten Akteure sagen, dass langfristig das ideale Resultat des Reformprozesses erreicht wäre, wenn die Berichterstattungsverfahren nicht mehr als belastende und mühsame Bürde gesehen würden – wie dies heute oftmals der Fall ist –, sondern vielmehr als eine ehrenvolle Aufgabe und als Chance, die Umsetzung der Menschenrechte in unserem Land stetig zu verbessern. 

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