Artikel

Rück- und Ausblick von Jörg Künzli und Evelyne Sturm

Grosser Informationsbedarf im Bereich der Menschenrechte

Publiziert am 20.12.2018

Liebe Newsletter-Abonnentinnen und -Abonnenten

Das SKMR hat im Jahr 2018 primär seine Tätigkeiten in den Bereichen Menschenrechte im Alter, Haft und Zugang zur Justiz weitergeführt. Mit der Thematik Menschenrechte im Arbeitsleben setzte es aber auch einen neuen Akzent. Daneben war die Arbeit des SKMR stark von äusseren Faktoren beeinflusst.

Das Jahr 2018 war in der Schweiz wegen der mittlerweile deutlich verworfenen Selbstbestimmungsinitiative politisch geprägt durch heftige Diskussion um den Stellenwert der Menschenrechte im Allgemeinen und demjenigen der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) im Besonderen. Erfreulich ist dabei nicht nur die deutliche Ablehnung dieser SVP-Initiative, sondern auch, dass die Menschenrechte gemäss Nachbefragungen eines der wichtigsten Argumente für die Ablehnung der Vorlage war. Neben bewusst gestreuten Falschinformationen zur Bedeutung der Menschenrechte für die Schweiz zeigte der Abstimmungskampf aber auch weit verbreitete, eklatante Wissensdefizite im Bereich der Menschenrechte auf; er bot damit eindrücklichen Anschauungsunterricht für die Notwendigkeit einer Nationalen Menschenrechtsinstitution, die sich auch dem Wissenstransfer im Bereich der internationalen Menschenrechte widmet.

Der Bundesrat und das SKMR im 2018

Das Pilotprojekt SKMR ist mittlerweile acht Jahre alt. Es soll spätestens Ende 2020 durch eine definitive, gesetzlich verankerte Nationale Menschenrechtsinstitution (NMRI) abgelöst werden. Es ist daher interessant, zu sehen, wie der Bundesrat im Jahr 2018 in drei Stellungnahmen und Berichten an UNO-Organe die Arbeit des SKMR würdigte und die Notwendigkeit der Schaffung einer schweizerischen NMRI beurteilt hat.

Im Rahmen der sogenannten Universellen periodischen Überprüfung vor dem Menschenrechtsrat (UPR) nahm die Schweiz im Jahr 2017 die Empfehlungen an, die Bemühungen zur Schaffung einer NMRI fortzusetzen. Nach einer Konsultation innerhalb der Bundesverwaltung und mit den Kantonen ging der Bundesrat im Februar 2018 überraschenderweise noch einen Schritt weiter, indem er zusätzlich die Empfehlungen annahm, die explizit die Schaffung einer NMRI im Einklang mit den Pariser Prinzipien, d.h. mit einem breiten Mandat, ausreichender Unabhängigkeit und genügenden finanziellen und personellen Ressourcen gefordert hatten.

Im Bericht der Schweiz zum Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Pakt I) vom 14. Februar 2018 hielt der Bundesrat fest, dass das SKMR "zur Stärkung der Politik im Bereich der Menschenrechte“ beigetragen habe. Es solle daher bald durch ein universitäres Zentrum mit gesetzlicher Grundlage abgelöst werden. Völlig unerwähnt lässt der Bericht jedoch die wohl wichtigste Arbeit des SKMR in diesem Gebiet. Das SKMR gelangte nämlich in einer Studie zu den Garantien desselben Paktes im Jahr 2014 zum Schluss, dass die apodiktische Haltung des Bundesrats (wonach wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte keine einklagbaren Menschenrechte sind, sondern sich einzig an den Gesetzgeber richten) juristisch zumindest in dieser allgemeinen Weise nicht mehr haltbar sei und sich im Übrigen auch vor dem Hintergrund der entsprechenden landesrechtlichen Vorgaben kaum mehr rechtfertigen lasse. Der Bundesrat unterliess es somit, sich mit der zentralen Kritik des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte inhaltlich auseinanderzusetzen. Dieser fordert die Schweiz seit Jahren auf, die Einklagbarkeit gewisser Teilgehalte dieser Garantien anzuerkennen und verweist auf die entsprechende Praxis des Bundesgerichts, das sich seinerseits wiederum auf die Haltung des Bundesrats stützt.

Prominent, aber bereits ergebnisoffen, hält der Bundesrat in seinem am 30. November dieses Jahres verabschiedeten Bericht zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung fest: "Die Bundesverwaltung bemüht sich derzeit darum, die Grundlagen für die Einrichtung einer nationalen Menschenrechtsinstitution zu schaffen". Im Übrigen werden Arbeiten des SKMR und namentlich die umfassende Studie zum Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen sowie diejenigen zu Racial Profiling und Beschwerdemöglichkeiten bei polizeilichen Übergriffen an zahlreichen Stellen des Berichts als Beleg für die Bemühungen der Schweiz zur Umsetzung der Verpflichtungen aufgeführt. Die zahlreichen kritischen Befunde des SKMR blendet der Bericht indes völlig aus.

Ein Zickzack-Kurs

Der Überblick zeigt nicht nur, dass sich der Bundesrat mit einer inhaltlichen Auseinandersetzung der kritischen Befunde schwer tut. Auch das einst klare Bekenntnis zur Schaffung einer NMRI gemäss Pariser Prinzipien wurde in den Berichten zunehmend abgeschwächt. Das widerspiegelt sich auch in den innenpolitischen Entwicklungen zur Schaffung einer NMRI: Noch Anfang Jahr sah es nach der grossmehrheitlich positiv verlaufenen Vernehmlassung so aus, dass die mittlerweile mehrere Jahrzehnte dauernden Arbeiten zur Schaffung einer NMRI mit einer typischen schweizerischen Kompromisslösung zum Abschluss gebracht werden könnten. Ein rasches Vorangehen wäre mit Blick auf das baldige Ende des Pilotprojekts SKMR mehr als wünschenswert gewesen. Das federführende EDA ist jedoch auf die Vernehmlassungsvorlage zurückgekommen und prüft inzwischen eine bescheidenere Umsetzung "à la Suisse". Zur Diskussion steht dabei eine in früheren Jahren verworfene Kommissionslösung mit Beratungsmandat. Es wird sich zeigen, wie der Bundesrat mit einem solchen Modell den nach wie vor angestrebten A-Status gemäss den Pariser Prinzipien erreichen will. Zu hoffen bleibt, dass bei der Ausarbeitung eines neuen Modells die Erfahrungen des SKMR berücksichtigt werden. Schliesslich war es eines der erklärten Ziele des Bundes, mit dem Pilotprojekt Erfahrungen für die Ausgestaltung einer allfälligen NMRI zu sammeln.

Für das SKMR gilt es nun, vor dem Hintergrund der völlig offenen Entwicklung die noch verbleibende Zeit dafür zu nutzen, mit konstruktiven und kritischen Analysen und Veranstaltungen einen Beitrag zur Umsetzung der Menschenrechte in der Schweiz zu leisten und den Finger auf entsprechende Defizite zu legen.

Für Ihr Interesse an unseren Aktivitäten danken wir Ihnen und wünschen Ihnen schöne Festtage und alles Gute für das neue Jahr.

Jörg Künzli (Direktor) und Evelyne Sturm (Geschäftsführerin)

^ Zurück zum Seitenanfang