Artikel

Neue Regeln zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Volksinitiativen mit dem Völkerrecht

Abstimmung über zwei Motionen der Staatspolitischen Kommissionen von National- und Ständerat

Abstract

Autorin: Andrea Egbuna-Joss

Publiziert am 01.02.2012

Bedeutung für die Praxis:

  • Zur Information
  • Folgt der Ständerat dem Antrag seiner Kommission zur Annahme der Motion der SPK-N, wird der Bundesrat eine Vorlage zur Umsetzung beider Vorschläge zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Volksinitiativen mit dem Völkerrecht ausarbeiten.

Als Reaktion auf den Zusatzbericht des Bundesrates vom 30. März 2011 zu möglichen Massnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Volksinitiativen mit dem Völkerrecht (siehe den Beitrag im SKMR-Newsletter vom 6. Mai 2011) haben die Staatspolitischen Kommissionen beider Räte (SPK-N und SPK-S) entsprechende Motionen eingereicht.

Materielle Vorprüfung

Die Motion der SPK-S (Motion 11.3751) verlangt die Schaffung rechtlicher Grundlagen für eine nichtbindende materielle Vorprüfung der Völkerrechts- und Verfassungskonformität einer Initiative vor Beginn der Unterschriftensammlung. Würde die Bundesverwaltung einen allfälligen Konflikt mit dem Völkerrecht oder der Verfassung feststellen, könnten die Initianten entweder den Initiativtext anpassen oder müssten ansonsten einen entsprechenden „Warnhinweis“ auf den Unterschriftenbogen anbringen. Die Motion der SPK-S wurde am 20. September vom Ständerat und am 20. Dezember 2011 vom Nationalrat angenommen.

Erweiterung der Gründe für Ungültigkeit

Die Motion der SPK-N (Motion 11.3468) geht einen Schritt weiter und beantragt zusätzlich zur materiellen Vorprüfung eine Erweiterung der materiellen Gründe für eine Ungültigkeitserklärung von Volksinitiativen gemäss Art. 139 Abs. 3 BV um den Kerngehalt der Grundrechte der Verfassung und der EMRK.

Der Nationalrat hat die Motion seiner Staatspolitischen Kommission am 20. Dezember 2011 mit 99 zu 59 Stimmen angenommen. Gegner hatten die Vorschläge der Kommission als Schwächung der Volksrechte kritisiert und ihre Wirksamkeit bezweifelt. Tatsächlich ist es so, dass auch mit den vorgeschlagenen Verbesserungen weiterhin Initiativen mit völker- und grundrechtlich problematischem Inhalt - wie in der Vergangenheit die Minarettinitiative oder die Verwahrungsiniative - zur Abstimmung kommen könnten. Diese Initiativen bzw. die angenommenen Verfassungsbestimmungen stehen zwar im Widerspruch zu den Grundrechten der Verfassung und den Garantien der EMRK, berühren aber nicht deren Kerngehalt. Zur Verhinderung solcher Initiativen wäre eine weitergehende Anpassung der Ungültigkeitsgründe (z.B. die Einführung des Diskriminierungsverbotes als weitere materielle Schranke) notwendig. Auf diese Möglichkeit hat der Bundesrat in seinem Bericht zwar hingewiesen, sie wurde jedoch von den Staatspolitischen Kommissionen nicht aufgegriffen.

Der Ständerat hat zudem am 20. September 2011 die parlamentarische Initiative Vischer, welche Volksinitiativen dann ungültig erklären wollte, wenn sie materiell gegen den Grundrechtsschutz und gegen die Verfahrensgarantien des Völkerrechts verstösst, einstimmig abgelehnt.

Noch nicht entschieden

Am 13. Januar 2012 hat nun die Staatspolitische Kommission des Ständerates der Motion ihrer Schwesterkommission knapp mit 6 zu 6 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten zugestimmt. Folgt der Ständerat dem Antrag der knappen Kommissionsmehrheit, würde der Bundesrat beauftragt, eine Vorlage zur Umsetzung der beiden vorgeschlagenen Massnahmen auszuarbeiten.

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