Studien & Gutachten

Anhörung von Kindern durch Behörden in der Schweiz

Analyse und Empfehlungen

Abstract

Hören die Behörden das Kind bei einer Fremdplatzierung oder bei Wegweisung eines ausländischen Elternteils an? Für ein Kind sind beide Situationen schwerwiegend, weil es von einem oder beiden Elternteilen getrennt wird. Doch auch die Behörden sind gefordert. Eine neue Studie des SKMR formuliert Empfehlungen für Praxis und Forschung.

Publiziert am 07.04.2017

Die rechtlichen Regeln sind klar: Die UNO-Kinderrechtskonvention schreibt in Art. 12 vor, dass das Kind in allen Verfahren angehört werden muss, die es betreffen. Diese völkerrechtliche Bestimmung ist in der Schweiz direkt anwendbar. Die Leitlinien des Europarats für eine kindgerechte Justiz fordern ebenfalls, dass die Kinder in Verfahren, die sie betreffen oder berühren, befragt und angehört werden. In der Schweiz lässt die Umsetzung des Rechts auf Anhörung in verschiedenen Bereichen noch zu wünschen übrig, wie dies auch das Postulat 14.3382 der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats festhält.

Die zweisprachige Studie "Une justice adaptée aux enfants - L’audition de l’enfant lors d’un placement en droit civil et lors du renvoi d’un parent en droit des étrangers" untersucht die kantonale Praxis der Anhörung bei der Fremdplatzierung als zivilrechtliche Massnahme sowie beim ausländerrechtlichen Wegweisungsverfahren. Sie kommt zum Ergebnis, dass die befragten Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) der Kantone Bern, Neuenburg und Freiburg Kinder im Fremdplatzierungsverfahren in der Regel ab sechs Jahren befragen, wie es auch die Rechtsprechung des Bundesgerichts fordert. Jüngere Kinder werden durch die Kindesschutzdienste einbezogen. Verbesserungspotenzial besteht hingegen bei der Art der Befragung und des Einbezugs der Kinder, bei der Information der Kinder über ihre Rechte und den Ausgang des Verfahrens, und bei der Ausbildung der befragenden Personen in kindsgerechter Befragungstechnik. Erfreulich und hilfreich sind hingegen die bestehenden oder geplanten kantonalen Instrumente, die den Einbezug des Kindes als wichtiges Element in den verschiedenen Etappen der Fremdplatzierung vorsehen.

Im Wegweisungsverfahren eines ausländischen Elternteils werden Kinder in weniger als der Hälfte der Kantone angehört. Meistens gehen die Behörden davon aus, dass das Kindesinteresse mit dem Interesse des auszuweisenden Elternteils übereinstimmt. Bei den Behörden besteht folglich ein grosser Bedarf an Sensibilisierung und Ausbildung über die Rechte des Kindes, damit das Kind auch in diesem Verfahren als betroffenes Rechtssubjekt wahrgenommen und behandelt wird.

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