Artikel

Prioritäre Aufgaben der Rassismusbekämpfung in der Schweiz

Relevante Empfehlungen der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) an die Schweiz

Abstract

Autor: Reto Locher

Publiziert am 13.11.2014

Zusammenfassung:

Am 16. September 2014 hat die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz ihren fünften Länderbericht über die Schweiz veröffentlicht. Die ECRI hat 21 Empfehlungen erlassen, um bestehende Missstände in der Schweiz anzugehen und zu beheben.

Unter Berücksichtigung der Empfehlungen des UNO-Ausschusses gegen Rassendiskriminierung vom März 2014 an die Schweiz erscheinen die folgenden Probleme als prioritär:

  • Institutionelle Mängel im Bereich der Beratung, insbesondere für Betroffene von Diskriminierung wegen sexueller Orientierung und sexueller Identität,
  • die mangelnde Gesetzgebung im Rassismusbereich,
  • rassistische Äusserungen in der öffentlichen Debatte,
  • die Vorprüfung von Volksrechten,
  • mangelnde statistische Erfassung von rassistischen Straftaten,
  • Hassreden im Internet und
  • Massnahmen gegen Racial Profiling.

Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) veröffentlicht in einem Zyklus von fünf Jahren Länderberichte, wobei sie zum einen die Umsetzung der in früheren Berichten gemachten Empfehlungen überprüft und zum andern auch neue Empfehlungen erlässt. Am 16. September 2014 hat die ECRI ihren fünften Länderbericht zur Schweiz publiziert (nachfolgend: ECRI-Bericht). Neben Lob für verschiedene Bemühungen der Schweiz zur Verbesserung des Status quo hat die ECRI im besagten Bericht insgesamt 21 Empfehlungen verabschiedet, die hierzulande bestehende Mängel im Bereich der Bekämpfung von Rassismus und Intoleranz benennen und Massnahmen zu deren Beseitigung vorschlagen. Im Folgenden sollen diejenigen Empfehlungen hervorgehoben und erläutert werden, denen in der Schweiz die grösste praktische Relevanz zukommt, weil die ECRI oder der UNO-Ausschuss gegen Rassendiskriminierung (Committee on the Elimination of Racial Discrimination, CERD) ihre Umsetzung ausdrücklich als wichtig eingestuft hat oder weil aus schweizerischer Sicht dringender Handlungsbedarf besteht.

Die Kompetenzen der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus

Die erste der zwei Empfehlungen, denen die ECRI besonderes Gewicht beimisst und deren Umsetzung deshalb spätestens zwei Jahre nach der Veröffentlichung im Rahmen einer Zwischenprüfung zu überprüfen sind, betrifft die Erweiterung der Aufgaben und Zuständigkeiten der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR): Die ECRI empfiehlt der Schweiz namentlich, dass die EKR für Opfer von Rassismus zukünftig eine Rechtsberatung anbietet und diese auch vor Gericht vertritt, und dass sie zu diesem Zweck Beweise und Informationen beschaffen kann (Empfehlung Nr. 18). Zur Begründung dieser Forderung weist die ECRI insbesondere darauf hin, dass in der Schweiz nur in einzelnen Kantonen und Städten unabhängige Institutionen – sprich Ombudsstellen – bestehen, die eine Beschwerde über Rassismus und Diskriminierung entgegen nehmen, und dies jeweils nur im Bereich des öffentlichen Rechts.

Es ist zutreffend, dass auf nationaler Ebene in der Schweiz keine Ombudsstelle besteht. Zudem ist der Zuständigkeitsbereich der lediglich elf in der Schweiz auf Kantons- und Gemeindeebene existierenden parlamentarischen Ombudsstellen sachlich und örtlich beschränkt, womit das Rechtsberatungsangebot von Opfern von Rassismus über die Schiene der «Bürgerbeauftragten» unzureichend ist.

Die Aufgaben und Zuständigkeiten der EKR sind allerdings im Lichte der stark ausgeprägten föderalistischen Struktur der Schweiz und der erst Anfang 2014 lancierten kantonalen Integrationsprogramme (KIP) zu beurteilen: Selbst der ECRI-Bericht hält in Ziff. 16 fest, dass die Kantone im Rahmen der KIP verpflichtet sind, Beratungs- und Unterstützungsangebote im Rassismusbereich bereit zu stellen. Die Umsetzung dieser Vorgabe in den Kantonen sollte das Bedürfnis nach Rechtsberatung weitgehend abdecken. Eine zweckmässige Ausweitung der Aufgaben der EKR bestünde darin, dass die EKR im Rahmen des Beratungsangebotes des KIP besondere Aufgaben übernehmen und die bestehenden Beratungsstellen in ihrer Tätigkeit unterstützen würde. Dabei wäre die Kompetenz zur anwaltschaftlichen Vertretung bei Musterprozessen eine durchaus sinnvolle Ergänzung.

Zusammenfassend sollte also statt einer pauschalen Kompetenzerweiterung eine funktionale Ausdifferenzierung der Aufgaben und Zuständigkeiten der EKR im bestehenden, stark föderalistisch geprägten Gesamtsystem ins Auge gefasst werden. Eine solche Lösung wäre kompatibel mit dem sehr beschränkten Handlungsspielraum in diesem Bereich. Denn es gilt zu beachten, dass der Bundesrat im Rahmen der Allgemeinen regelmässigen Überprüfung (UPR) des UNO-Menschenrechtsrates 2012 sämtliche Empfehlungen abgelehnt hat, die auf eine Stärkung der institutionellen Mechanismen abzielen, so auch die Ausdehnung des Mandats der EKR (Empfehlungen Nr. 123.25-26). Diese Haltung wird sich in der Zwischenzeit kaum grundsätzlich geändert haben.

In seinen Abschliessenden Bemerkungen (Concluding Observations) zum siebten bis neunten periodischen Bericht der Schweiz vom 12. März 2014 spricht auch der CERD die Tätigkeit der EKR an. In seiner (relativ allgemeinen) Formulierung hält er dabei fest, dass die EKR mit ausreichenden finanziellen und personellen Ressourcen auszustatten sei, damit diese ihren Auftrag zur Bekämpfung rassistischer Diskriminierung effektiv und unabhängig wahrnehmen könne (Empfehlung Nr. 10). Er legt den Fokus aber eher auf die Schaffung einer unabhängigen Menschenrechtsinstitution gemäss den Pariser Prinzipien, was die ECRI in ihrer Empfehlung Nr. 4 im Übrigen auch fordert.

Fachstelle zur Bekämpfung der Diskriminierung von LGBTI-Personen

Die zweite vorrangig umzusetzende Empfehlung des ECRI-Berichts bezieht sich auf die Schaffung von institutionellen Mechanismen zur Bekämpfung von Diskriminierung von homo-, bi-, trans- und intersexuellen Personen (im Folgenden LGBTI-Personen genannt) (Empfehlung Nr. 21). Eine kürzlich publizierte SKMR-Studie hält fest, dass in der Schweiz weder auf Kantons- noch auf Bundesebene spezialisierte Institutionen oder Gremien bestehen, die sich ausdrücklich mit der LGBTI-Thematik befassen. Institutionen, die dies punktuell tun, stehen dafür keine oder nur unzureichende Ressourcen zur Verfügung. Die Studie hält weiter fest, dass in diesem Bereich in der Schweiz Handlungsbedarf besteht, und dass nun eine öffentliche Diskussion über die Umsetzung der institutionellen Verankerung von LGBTI-Themen in Gang kommen sollte. Die ECRI-Empfehlung stimmt mit den Erkenntnissen der SKMR-Studie überein.

Gesetzgebung gegen Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität

In Empfehlung Nr. 19 fordert die ECRI die Schaffung einer umfassenden Gesetzgebung zum Schutz vor Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität, wie es auch bereits im Rahmen des UPR-Verfahrens gefordert worden ist (Empfehlung Nr. 123.77). Die ECRI empfiehlt der Schweiz, diese Empfehlung umzusetzen, indem die entsprechenden Diskriminierungsmerkmale in die Rassismusstrafnorm gemäss Art. 261bis StGB aufgenommen werden.

Das Anliegen nach mehr gesetzlichem Schutz vor Diskriminierung von LGBTI-Personen ist grundsätzlich berechtigt. Es ist jedoch zu überprüfen, ob das Vorgehen über die Erweiterung der Tatbestandsmerkmale von Art. 261bis StGB zielführend ist. Zum einen fragt sich, weshalb andere diskriminierungsgefährdete Gruppen wie die Frauen oder Behinderte im ECRI-Vorschlag unerwähnt bleiben, und zum andern muss gefragt werden, ob als Alternative nicht die Schaffung einer zusätzlichen analogen Strafnorm für alle Diskriminierungsmerkmale mit Ausnahme von Rasse, Ethnie und Religion sinnvoller wäre.

Ausweitung des Geltungsbereichs der Rassismusstrafnorm

Sowohl die ECRI als auch der CERD bemängeln überdies, dass der Geltungsbereich der Rassismusstrafnorm in der Praxis zu eng ausgelegt würde, namentlich in Bezug auf Fälle von Diskriminierung aufgrund der Nationalität, die eingestellt werden (Ziff. 5 ECRI-Bericht). In Empfehlung Nr. 2 schlägt die ECRI deshalb vor, die Gründe Hautfarbe, Sprache und Nationalität explizit in Art. 261bis StGB aufzunehmen. Der CERD, der diese Problematik als besonders wichtig einstuft, bemängelt in seinen Abschliessenden Bemerkungen die restriktive Auslegung der Rassismusstrafnorm und fordert in allgemeiner Form, dass jedermann effektiven Schutz und Hilfe vor nationalen Gerichten und anderen staatlichen Institutionen geniessen soll (Empfehlung Nr. 7). In den gleichen Empfehlungen kritisieren sowohl die ECRI als auch der CERD darüber hinaus, dass nur individuell betroffene Personen legitimiert sind, Beschwerde gegen rassistische Diskriminierungen zu erheben. Gruppen und Organisationen kommt hingegen keine Parteistellung zu.

Beide Empfehlungen der ECRI und des CERD decken sich inhaltlich mit der Analyse und den Empfehlungen, welche die EKR im Jahr 2010 in ihrem Bericht zum «Recht gegen rassistische Diskriminierung» veröffentlicht hat. Es ist ein in der Praxis bekanntes Phänomen, dass der Anwendungsbereich der Rassismusstrafnorm sehr eng ausgelegt wird, und dass sich dadurch Schutzlücken ergeben. Die Verankerung der Parteistellung von Gruppen und Organisationen wäre überdies ein effektives prozessuales Mittel, um die Rechte von diskriminierten Personen in der Praxis zur Geltung zu bringen.

Bessere statistische Erfassung und Überwachung von Straftaten

Weiter kritisiert die ECRI die mangelhafte statistische Erfassung und Überwachung von Straftaten mit rassistischen bzw. homo-/transphoben Motiven und empfiehlt der Schweiz, das System zur Erfassung solcher Fälle zu verbessern. Die ECRI verweist diesbezüglich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR), der verlangt, dass die staatlichen Stellen Massnahmen treffen um festzustellen, ob bei solchen Vorfällen Hass und Vorurteile aufgrund der ethnischen Abstimmung eine Rolle gespielt haben.

Auch der CERD stuft das Vorliegen verlässlicher und umfassender Daten zur Diskriminierung in seinen Abschliessenden Bemerkungen als zentral ein. In seiner Empfehlung Nr. 9 verweist er insbesondere darauf, dass in den Bereichen Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie im Arbeitsleben und in der Schule keine verlässlichen und umfassenden Daten zu Art und Ausmass der rassistischen Diskriminierung, insbesondere auch keine systematische Sammlung von Gerichtsentscheiden zu rassistischer Diskriminierung, bestehen.

Die Ausführungen und Empfehlungen von ECRI und CERD sind sachgerecht. Allerdings ergibt eine Sammlung von Gerichtsurteilen nur einen Teil des Gesamtbildes, denn nur ein kleiner Teil der diskriminierenden Vorfälle wird überhaupt aktenkundig. Diesbezüglich ist auf eine derzeit vom SKMR im Auftrag des Bundes durchgeführte Studie zum Thema «Der Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen» hinzuweisen: Diese wird Mitte 2015 fertiggestellt und beinhaltet insbesondere eine umfassende Fallstudie aller in der Schweiz von 2004-2014 behandelten Gerichtsfälle zu Diskriminierung, was die Datenlage in diesem Bereich markant verbessern wird.

Der grössere Teil der Vorfälle kann aber auch in Zukunft lediglich mit relativ unpräzisen Erhebungen wie dem jährlichen Monitoringbericht des Beratungsnetzes für Rassismusopfer oder aber mit gezielten empirischen Studien erschlossen werden.

Rassistische Äusserungen in der politischen Debatte

Die ECRI zeigt sich besorgt über «die Entwicklung im Tonfall der öffentlichen Debatte». Gemäss dem ECRI-Bericht nehmen Minderheiten wie «Muslime, dunkelhäutige Menschen, Jenische und Roma (…)», aber auch «Flüchtlinge, Wanderarbeiter» und LGBTI-Personen «eine erhebliche Verschlechterung ihrer Situation und des politischen Klimas wahr». Die ECRI bringt diese negative Veränderung im politischen Stil insbesondere mit der Annahme von Volksinitiativen mit diskriminierenden Elementen wie dem Bauverbot für Minarette in Verbindung. Den Schweizer Behörden wird empfohlen, ihre politischen Entscheidungsträger/innen auf die einschlägigen Grundsätze der ECRI in Bezug auf rassistische Äusserungen in der öffentlichen Debatte hinzuweisen (Empfehlung Nr. 27).

Dieses Anhalten zu Mässigung und zu einem diskriminierungsfreien politischen Diskurs ist insofern relevant, als gerade die politische Elite in dieser Hinsicht eine gewisse Vorbildfunktion erfüllen sollte.

Darüber hinaus fordert die ECRI die konsequente Strafverfolgung von Politikern, die sich rassistisch äussern sowie die Sicherstellung der Aufhebung der Immunität derselben, falls eine Strafverfolgung avisiert wird (Empfehlung Nr. 23). Der Bedarf für diese Empfehlung ist zu bezweifeln, denn es gibt keine Hinweise darauf, dass die Strafverfolgung von Politikern/-innen und die in diesem Zusammenhang gegebenenfalls nötige Aufhebung der Immunität hierzulande in der Praxis ein Problem darstellt.

Im Übrigen zeigt sich auch der CERD in seinen Abschliessenden Bemerkungen tief beunruhigt über die Äusserungen von rassistischen Stereotypen seitens Mitglieder rechtspopulistischer Parteien. Er empfiehlt der Schweiz, flächendeckende und systematische Sensibilisierungsmassnahmen zu ergreifen, um Vorurteilen, Stigmatisierungen und dergleichen gegenüber Ausländern/-innen zu begegnen (Empfehlung Nr. 12 a).

Vorprüfung von Volksinitiativen

Im Kontext der politischen Debatte und der Vielzahl an Initiativen mit rechtlich heiklem Inhalt, die in den letzten Jahren in der Schweiz lanciert worden sind, ist die Empfehlung Nr. 27 der ECRI zu sehen: Sie legt der Schweiz die Einführung eines Systems der Vorprüfung der Entwurfstexte von Volksinitiativen auf ihre Vereinbarkeit mit internationalem Recht im Allgemeinen und in Bezug auf rassistische und diskriminierende Inhalte im Speziellen nahe. Auch der CERD empfiehlt der Schweiz in seinen Abschliessenden Bemerkungen die Einführung von effektiven und unabhängigen Mechanismen, um Volksinitiativen auf ihre Vereinbarkeit mit ihren internationalen Verpflichtungen überprüfen zu können. Weiter regt der CERD an, die Öffentlichkeit über die Problematik der Vereinbarkeit des Inhalts von Volksinitiativen mit den menschenrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz aufmerksam zu machen und breit zu informieren (Empfehlung Nr. 8).

Diese Empfehlungen sind vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Bundesrat im Frühling 2013 verschiedene Vorschläge gemacht hatte, wie eine Vorprüfung von Volksinitiativen umgesetzt werden könnte. Die Vorschläge wurden allerdings in der Vernehmlassung mehrheitlich abgelehnt (NZZ vom 30. Juni 2013), weshalb der Bundesrat den diesbezüglichen Prozess abgebrochen hat.

Das Anliegen wurde in jüngster Zeit jedoch von der Staatspolitischen Kommission des Ständerates wieder aufgegriffen (NZZ vom 6. Oktober 2014). Da auch zukünftig mit der Lancierung von Volksinitiativen zu rechnen ist, bei denen fraglich ist, ob ihr Inhalt den menschenrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz genügt, bleiben die diesbezüglichen Empfehlungen von ECRI und CERD bedeutungsvoll, wenn es auch in diesem Bereich schwierig sein wird, mehrheitsfähige Lösungen zu finden.

Bekämpfung von Rassismus im Internet

Die Verbreitung von sogenannten Hassreden im Internet stellt ein nicht zu unterschätzendes Problem dar und die ECRI kritisiert die mangelnden Ressourcen, die in der Schweiz als Gegenmittel zur Verfügung stehen. Die nationale Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (KOBIK) hat zwar u.a. auch den Auftrag, rassistische Äusserungen im Internet zu identifizieren und an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten. Gemäss ECRI liegt das Hauptaugenmerk der KOBIK jedoch auf der «proaktiven Ermittlung über Pädophilie». Der KOBIK fehle es am notwendigen Know-how und den Ressourcen für die Verfolgung rassistischer Straftaten im Internet. Die Schweizer Behörden werden deshalb dazu aufgefordert, die notwendigen technischen und personellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen (Empfehlung Nr. 36).

Ein grosses Problem von Rassismus im Internet sind die diesbezüglichen Aktivitäten in den sozialen Medien (Facebook, Twitter etc.) sowie die Kommentare auf den grossen Online-Medienportalen. Bei letzteren gab es gemäss ECRI offenbar Fortschritte, da verschiedene Online-Zeitungen Selbstregulierungsmassnahmen ergriffen hätten und beispielsweise die Anonymität von Verfassern/-innen rassistischer Äusserungen aufgehoben oder deren Konten gesperrt worden seien. Auch wenn derartige Massnahmen grundsätzlich positiv zu bewerten sind, ist es schwierig zu beurteilen, wie diese in der Praxis umgesetzt werden und wie effektiv sie sind. Es fehlt an gezielter Forschung in Bezug auf das Ausmass von Rassismus im Internet und Hassreden. Derartige Studien wären wichtig, um den Handlungsbedarf und gestützt darauf die nötigen Gegenmittel abschätzen zu können.

Massnahmen gegen Racial Profiling

Die ECRI versteht unter «Racial Profiling» «polizeiliche Kontroll-, Beobachtungs- oder Untersuchungsmassnahmen, die nicht objektiv und angemessen begründet sind, sondern einzig wegen ethnischer Abstammung, Hautfarbe, Sprache, Religion oder Nationalität durchgeführt werden» (vgl. SKMR-Studie Polizei und Justiz, S. 42). Derartige Profilings bergen die Gefahr in sich, «dass Minderheiten mit bestimmten, leicht auszumachenden Merkmalen einem kollektiven Generalverdacht ausgesetzt werden».

Neben gewissen Fortschritten hält die ECRI diesbezüglich fest, dass Menschen mit dunkler Hautfarbe immer noch stark von Racial Profiling betroffen seien und empfiehlt der Schweiz, «Gesetze zu verabschieden, die garantieren, dass jede polizeiliche Massnahme und insbesondere die Befugnis, Personen anzuhalten, von einem begründeten Verdacht abhängt» (Empfehlung Nr. 72).

Der CERD fordert in seinen Abschliessenden Bemerkungen u.a. Massnahmen zur Verhinderung von Identitätskontrollen, Durchsuchen und dergleichen allein aufgrund der Rasse oder ethnischen Zugehörigkeit sowie die Einrichtung unabhängiger Beschwerdemechanismen gegen Verstösse gegen diese Grundsätze. Schliesslich sollen Angehörige des Polizeicorps für den Schutz der Menschenrechte ausgebildet werden (Empfehlung Nr. 14).

Bei «diskriminierendem Profiling» handelt es sich um eine Erscheinungsform der Diskriminierung, gegen deren Auftreten es keine einfachen Rezepte gibt (SKMR-Studie Polizei und Justiz, S. 48). Trotzdem liesse sich im Ausbildungsbereich, durch klare Stellungnahmen oberer und oberster Hierarchiestufen, gegen diese Art von Diskriminierung und der Entwicklung entsprechender Einsatzdoktrinen einiges erreichen.

Asyl- und ausländerrechtliche Themen

Asyl- und ausländerrechtliche Themen bleiben im ECRI-Bericht weitgehend ausgeklammert.

Im Gegensatz zur ECRI behandelt der CERD in seinen Abschliessenden Bemerkungen verschiedene asyl- und ausländerrechtliche Themen:

  • Die weitere Verschärfung der Hürden zur Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern (Empfehlung Nr. 13): Der Ausschuss fordert, dass die Revision des Ausländerrechts keine unverhältnismässigen und diskriminierenden Wirkungen auf gewisse Ausländergruppen hat, und dass Einbürgerungsgesuche nicht aus diskriminierenden Erwägungen abgelehnt werden.
  • Die schwierigen Lebensumstände der vorläufig aufgenommen Ausländerinnen und Ausländer (Empfehlung Nr. 16): Der CERD macht auf die verschiedenen Einschränkungen aufmerksam, die diese Personengruppe zu gewärtigen hat. Darunter fallen die Einschränkung der Bewegungsfreiheit, der faktische Ausschluss vom Arbeitsmarkt aufgrund des ungewissen Bleiberechts sowie der beschränkte Zugang zu Bildung und Gesundheit. Der CERD empfiehlt der Schweiz namentlich, indirekte Diskriminierungen von vorläufig aufgenommenen Personen zu eliminieren.
  • Die schwierigen Lebensumstände von Asylsuchenden und Flüchtlingen (Empfehlung Nr. 17): Auch diese Personen sind ähnlichen Einschränkungen unterworfen wie die vorläufig aufgenommenen. Besonders gefährdet sind gemäss dem CERD Frauen, die mehrfache Diskriminierungen erleiden können.

Fazit und Zusammenfassung

Die Erkenntnisse und Schlussfolgerungen der ECRI sind bezüglich Themenvielfalt und Komplexität bemerkenswert. Für die Umsetzung der in diesem Beitrag diskutierten ECRI-Empfehlungen besteht im überwiegenden Mass Handlungsbedarf, auch wenn – beispielsweise bezüglich der Kompetenzen der EKR – gewisse Anpassungen an die spezifischen schweizerischen Gegebenheiten vorzunehmen sind.

Auf institutioneller Ebene ist die Schaffung einer Fachstelle für die Anliegen von LGBTI-Personen vordringlich. Zudem sollten die Zuständigkeiten der EKR im Rahmen des gesamtschweizerischen Beratungsnetzes erweitert werden. Bei den gesetzgeberischen Massnahmen stehen der explizite Diskriminierungsschutz von LGBTI-Personen sowie die Ausweitung des Geltungsbereichs der Rassismusstrafnorm und die Klageberechtigung für Gruppen und Organisationen in diesem Bereich im Vordergrund. Weiter sollte die Schweiz Massnahmen ergreifen, um die statistische Erfassung und Überwachung von Straftaten zu verbessern, genügend und kompetente Ressourcen für die Bekämpfung von Rassismus im Internet bereitstellen sowie Racial Profiling durch Führungs- und Ausbildungsmassnahmen bekämpfen. Schliesslich haben die Behörden drauf einzuwirken, dass der politische Diskurs diskriminierungsfrei geführt wird, und es sollten Mechanismen eingeführt werden, um Volksinitiativen auf ihre menschenrechtliche Vereinbarkeit zu überprüfen.

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