Artikel

Die institutionelle Stärkung des Menschenrechtsschutzes

Schaffung einer unabhängigen nationalen Menschenrechtsinstitution

Abstract

Autorinnen: Eva Maria Belser, Andrea Egbuna-Joss

Publiziert am 14.03.2013

Zusammenfassung:

  • Neun Staaten empfehlen der Schweiz, den institutionellen Menschenrechtsschutz zu verstärken und eine nationale Menschrechtsinstitution zu schaffen, die den Pariser Prinzipien genügt.
  • Die Pariser Prinzipien verlangen, dass nationale Menschenrechtsinstitutionen auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, über einen klaren Auftrag und ausreichende Ressourcen verfügen sowie unabhängig, pluralistisch zusammengesetzt und zugänglich sind. Diesen Anforderungen genügt das im Rahmen einer Pilotphase vom Bundesrat geschaffene Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte nicht.
  • Die vorerst noch offen gelassenen Empfehlungen 123.17-123.23 hat der Bundesrat am 27. Februar allesamt akzeptiert.

Erneute Empfehlung an die Schweiz

Bereits während des ersten UPR-Verfahrens 2008 hatten acht Staaten der Schweiz empfohlen, eine nationale Menschenrechtsinstitution in Übereinstimmung mit den Pariser Prinzipien zu schaffen (UPR 2008, Empfehlung 57.1). Die Schweiz hatte damals entschieden, die Empfehlung abzuschwächen und sich lediglich dazu zu verpflichten, die Schaffung einer solchen Institution in Erwägung zu ziehen.

Die Schaffung des SKMR

Zu diesem Zeitpunkt hatten die Bemühungen der Schweiz zur Schaffung einer Menschenrechtsinstitution längst eingesetzt. Bereits im Jahre 1993 – dem Jahr der Verabschiedung der Pariser Prinzipien – hatte die Schweiz im Rahmen der internationalen Menschenrechtskonferenz in Wien ein klares Bekenntnis zur Idee nationaler Menschenrechtsinstitutionen abgegeben. Im Jahre 2001 reichten Nationalrätin Vreni Müller-Hemmi und Ständerat Eugen David je eine parlamentarische Initiative ein, welche die Schaffung einer eidgenössischen Kommission für Menschenrechte verlangte. Zur Zeit der ersten UPR-Prüfung hatte die Schweiz gerade eine aus Vertretern von Bund und Kantonen zusammengesetzte Arbeitsgruppe damit beauftragt, die Möglichkeit der Schaffung einer solchen unabhängigen Menschenrechtsinstitution abzuklären.

Auf die Arbeiten der Arbeitsgruppe folgten lange und schwierige Auseinandersetzungen über die Notwendigkeit, die Organisation, die Funktionsweise und die Finanzierung einer solchen Institution. Der Bundesrat entschied deshalb, als Kompromiss- und Zwischenlösung für fünf Jahre ein universitär verankertes Pilotprojekt ins Leben zu rufen und nach einer Evaluation über die Fortsetzung bzw. Umwandlung dieses Projekts zu entscheiden. Das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) nahm im Jahre 2011 seine Tätigkeit auf.

Das SKMR entspricht nicht den Pariser Prinzipien

In seiner heutigen Form stellt das SKMR keine nationale Menschenrechtsinstitution im Sinne der Pariser Prinzipien dar. Dem SKMR fehlt es insbesondere an einer gesetzlichen Grundlage, an der Unabhängigkeit vom Staat, an eigenen Handlungsmöglichkeiten, an der Zugänglichkeit für Betroffene und wohl auch an ausreichenden Ressourcen. Aus diesem Grund kann sich das SKMR auch nicht beim Internationalen Koordinationskomitee der Nationalen Menschenrechtsinstitutionen akkreditieren lassen, dem mittlerweile über 100 nationale Institutionen angeschlossen sind.

Schon im Jahre 2008 war die UPR-Empfehlung zur Schaffung einer nationalen Menschenrechtsinstitution zahlenmässig und geografisch besonders breit abgestützt. 2012 haben nun neun weitere Staaten die Schweiz mit Nachdruck dazu aufgefordert, die erforderlichen Massnahmen zügig an die Hand zu nehmen (Empfehlungen 123.17-23). Mit den klaren Stellungnahmen zugunsten der Pariser Prinzipien steht fest, dass sich die Staatengemeinschaft mit einer institutionellen Kompromisslösung, die keine Unabhängigkeit garantiert, nicht zufrieden geben wird. Der Druck, eine nationale Menschenrechtsinstitution nach UNO-Standards zu schaffen, nimmt damit offensichtlich weiter zu.

Der Bundesrat hat die neusten Empfehlungen allesamt angenommen, sie durch seinen Erläuterungen jedoch modifiziert. Er sieht in der Annahme der Empfehlungen lediglich eine Bekräftigung der 2008 freiwillig eingegangenen Verpflichtung, die Einrichtung einer nationalen Menschenrechtsinstitution in Erwägung zu ziehen und die seit der Lancierung des SKMR erzielten Fortschritte zu überwachen. Die Evaluation des SKMR sei nun abzuwarten. Die Schweiz habe aber mit der Gründung des SKMR entschieden, dass ihre nationale Menschenrechtsinstitution die Form eines Fachinstituts und nicht die Form einer Ombudsstelle habe.

Kommentar

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist klar, dass zunächst die Resultate der Evaluation des SKMR im Jahre 2015 abzuwarten sind, bevor über die Zukunft dieser Institution entschieden werden kann. Die Vorarbeiten zur Schaffung des SKMR haben deutlich gemacht, dass die Notwendigkeit einer unabhängigen Menschenrechtsinstitution in der Schweiz nicht allgemein anerkannt ist und insbesondere aus föderalistischer und direktdemokratischer Sicht Bedenken angemeldet werden. Es ist daher zu hoffen, dass sich das SKMR in den kommenden Jahren als sinnvolle und hilfreiche Institution bewährt.

Auch wenn sich vor der Evaluation keine konkreten Massnahmen der Schweiz aufdrängen, so hat das zweite UPR-Verfahren doch deutlich gemacht, dass die Schweiz die internationalen Forderungen nach einer nationalen Menschenrechtsinstitution, die den Pariser Prinzipien entspricht, nicht leichtfertig abtun kann. Aus dieser Sicht sind die erklärenden Bemerkungen der Schweiz, welche zumindest den direkten Zugang von Opfern von Menschenrechtsverletzungen von vornherein ausschliesst, problematisch. Insgesamt gefährdet die Schweiz mittelfristig ihre Stellung als glaubwürdige Akteurin der internationalen Menschenrechtspolitik, wenn sie in diesen wichtigen Fragen in einer Abwehrhaltung verharrt.

Eine unabhängige Menschenrechtsinstitution wäre für die stark föderalistisch und direkt-demokratisch geprägten Strukturen der Schweiz nicht etwa ein Fremdkörper, sondern eine notwendige und hilfreiche Ergänzung, welche die vielfältigen politischen Akteure der Schweiz in ihrer Arbeit unterstützen und das an direkt-demokratischen Entscheiden beteiligte Stimmvolk fundiert über die menschenrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz informieren würde.

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