Studien & Gutachten

Sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz

Ein Menschenrechtsproblem

Abstract

Sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz ist weit verbreitet und wird zunehmend thematisiert – auch in der Schweiz. Sie reicht von sexistischen Sprüchen bis hin zu sexualisierter körperlicher Gewalt. Aus den Grundrechten, den internationalen Menschenrechtsabkommen und dem internationalen Arbeitsrecht ergeben sich verschiedene staatliche Verpflichtungen zu ihrer Bekämpfung. Diese werden in der Kurzstudie des SKMR untersucht und eingeordnet.

Publiziert am 01.06.2022

Unterschiedliche Schwerpunkte der internationalen Menschenrechts- und Arbeitsschutzinstrumente

Verschiedene Instrumente des internationalen Menschenrechts- und Arbeitsschutzes befassen sich mit der sexualisierten Belästigung am Arbeitsplatz – je nach Vertragswerk aus einem anderen Blickwinkel. Während das UNO-Frauenrechtsübereinkommen den Fokus auf die Diskriminierung legt, betrachtet die Istanbul-Konvention sexualisierte Belästigung als geschlechtsspezifische Gewalt. Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) schliesslich stellt die Ausprägungen der sexualisierten Belästigung im beruflichen Kontext in den Vordergrund. Diese Instrumente richten sich an Staaten, d. h. sie enthalten keine unmittelbaren Pflichten für die Arbeitgeber*innen. Die internationalen Gremien sind sich jedoch einig, dass sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz nur durch die Zusammenarbeit von Staat und privatwirtschaftlichen Unternehmen bekämpft werden kann.

Neue Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation als Meilenstein

Die IAO verabschiedete im Jahr 2019 die Konvention Nr. 190 über Gewalt und Belästigung. Als erste Konvention widmet sie sich spezifisch der sexualisierten Belästigung am Arbeitsplatz und schliesst damit zahlreiche Regelungslücken. Sie schreibt vor, dass die Vertragsstaaten Belästigung und Gewalt gesetzlich definieren und explizit verbieten müssen. Ausserdem enthält sie Bestimmungen zu Schutz und Prävention, zu Durchsetzung und Abhilfemassnahmen und zu Schulung und Sensibilisierung. Die Schweiz berät derzeit über die Ratifikation dieser Konvention.

Schweiz: Die Richtung stimmt, aber es bleibt Verbesserungspotenzial

Die Schweiz ist verpflichtet, die Rechte aus den ratifizierten internationalen Übereinkommen wie auch die Grundrechte zu achten, zu schützen und zu gewährleisten. Dazu gehört auch, ihnen unter Privaten Geltung zu verschaffen. In Bezug auf die sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz nimmt der Staat die Arbeitgeber*innen in erster Linie durch das Gleichstellungsgesetz in die Pflicht. So können Arbeitgeber*innen, welche die zumutbaren und notwendigen Präventionsmassnahmen gegen sexualisierte Belästigung nicht ergriffen haben, zu Entschädigungszahlungen an Betroffene verpflichtet werden. Straf- und zivilrechtliche Sanktionen sind auch für die belästigenden Personen selbst vorgesehen. Namentlich bei der Beweislasterleichterung, dem Verbandsklagerecht sowie der gesetzlichen Verankerung von Meldestellen und internen Untersuchungspflichten besteht allerdings noch Luft nach oben. Ein Beitritt zur neuen IAO-Konvention würde insbesondere im Bereich der Prävention und dem Einbezug der Arbeitgeber*innen einen Fortschritt bedeuten.

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