Studien & Gutachten

Gesundheitsversorgung im Freiheitsentzug: Menschenrechtliche Vorgaben

Gutachten des SKMR zeigt Nachholbedarf

Abstract

Inhaftierte Personen haben Anspruch auf eine medizinische Versorgung, die derjenigen der Allgemeinbevölkerung entspricht. Eine allfällige Kostenbeteiligung darf den Zugang zur Gesundheitsversorgung nicht erschweren. Die Rechtslage in der Schweiz ist verbesserungsfähig.

Publiziert am 13.12.2019

Welchen Standards muss die Gesundheitsversorgung von inhaftierten Personen genügen? Darf zwischen Personen mit Wohnsitz in der Schweiz, die der obligatorischen Krankenversicherung unterstehen, und Personen ohne Schweizer Wohnsitz unterschieden werden? Das Gutachten "Gesundheit im Freiheitsentzug: Rechtsgutachten zur Gesundheitsversorgung von inhaftierten Personen ohne Krankenversicherung" klärt diese und weitere Fragen im Zusammenhang mit der Gesundheitsversorgung im Freiheitsentzug unter menschenrechtlichen Gesichtspunkten ab.

Mindeststandards und gleichwertige Gesundheitsversorgung

Der Staat hat gegenüber inhaftierten Personen eine besondere Fürsorgepflicht. Aus dem Verbot der unmenschlichen Behandlung fliesst die Pflicht, allen Menschen im Freiheitsentzug gewisse Mindeststandards der Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Das sogenannte Äquivalenzprinzip schreibt zudem vor, dass die Gesundheitsversorgung für inhaftierte Personen gleichwertig sein muss mit der Versorgung der Allgemeinbevölkerung ausserhalb des Freiheitsentzugs. Das Gutachten kommt daher zum Schluss, dass allen inhaftierten Personen in der Schweiz unabhängig von ihrem Versicherungsstatus alle Leistungen der obligatorischen Grundversicherung zu gewährleisten sind.

Kostenbeteiligung in engen Grenzen zulässig

Zwar ist aus menschenrechtlicher Sicht eine kostenfreie Gesundheitsversorgung anzustreben. Das Gutachten merkt aber an, dass inhaftierte Personen an den Kosten beteiligt werden dürfen, sofern die effektive Versorgung dadurch nicht beeinträchtigt wird. Insbesondere darf eine allfällige Kostenbeteiligung nicht dazu führen, dass inhaftierte Personen im Bedarfsfall auf eine medizinische Leistung verzichten.

Empfehlung: obligatorische Krankenversicherung für alle

Gemessen an den menschenrechtlichen Verpflichtungen der staatlichen Organe besteht in der Schweiz ein gewisser Nachholbedarf. Das Gutachten führt verschieden Empfehlungen dazu auf. Prüfenswert erscheint insbesondere die Ausweitung des Krankenversicherungsschutzes auf alle Menschen im Freiheitsentzug.

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