Artikel

Menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte

Der Bundesrat empfiehlt, das ILO-Abkommen Nr. 189 zu ratifizieren

Abstract

Autorin: Christina Hausammann

Publiziert am 11.12.2013

Bedeutung für die Praxis:

  • Das Parlament hat neue Abkommen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO zur Kenntnis zu nehmen und innert Frist zu entscheiden, ob es sie ratifizieren will oder nicht.
  • Gemäss Bundesrat und Kantone erfüllt die schweizerische Rechtsordnung die Vorgaben des Übereinkommens Nr. 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte und es kann ohne Anpassungen des innerstaatlichen Rechts ratifiziert werden.
  • Verstärkte Bemühungen sind notwendig, um die Umsetzung der bestehenden rechtlichen Standards zu sichern und deren Geltung den in der Regel weiblichen sowie ausländischen Angestellten in der (privaten) Hauswirtschaft sowie im Bereich der Betreuung Betagter und Kinder bekannt zu machen.

An ihrer 100. Sitzung vom Juni 2011 hat die internationale ILO-Konferenz die Konvention Nr. 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte verabschiedet. Das Besondere dieser Konferenz besteht darin, dass nicht nur Vertreterinnen und Vertreter von Staaten die Versammlung bilden, sondern pro Staat eine Delegation von vier Mitgliedern bestehend aus zwei Regierungsvertretern/-innen sowie aus je einer Vertretung der Arbeitgeber/innen und der Arbeitnehmer/innen, welche unabhängig abstimmen (Art. 3 ILO-Verfassung ).

Die Konvention Nr. 189, welche ein altes Anliegen der ILO endlich zu einem Abschluss brachte, wurde mit grossem Mehr (396 gegen 16 Stimmen bei 63 Enthaltungen) angenommen.

Am 5. September 2013 ist die Konvention in Kraft getreten. Zurzeit haben 10 Staaten die Konvention ratifiziert (aktueller Stand ).

Arbeitsrechtliche Garantien für Hausangestellte

Mit der Ratifizierung verpflichten sich die Staaten, die rechtliche Lage der Hausangestellten mit Blick auf Entlöhnung, Regelung bzw. Beschränkung der Arbeitszeit, soziale Sicherheit und sichere und gesunde Arbeitsbedingungen zu verbessern und ihnen dieselben Bedingungen, wie sie sonstigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugestanden werden, zu garantieren.

Das Übereinkommen enthält im Weiteren besondere Regeln für Hausangestellte, die im Haushalt der Arbeitgebenden wohnen: Ihre Privatsphäre ist zu schützen und sie haben Anrecht auf menschenwürdige Unterkunft und Lebensbedingungen. Hausangestellte sollen sodann wirksam vor Missbrauch, Belästigung und Gewalt geschützt werden. Die Staaten haben sicherzustellen, dass Hausangestellte und insbesondere Migrantinnen und Migranten über die Beschäftigungsbedingungen informiert werden und schriftliche Verträge, welche die Bedingungen auflisten, erhalten. Sodann werden vor allem mit Blick auf die ausländischen Hausangestellten Vorgaben und Pflichten für private Arbeitsvermittlungsagenturen festgehalten, um missbräuchliche Praktiken in diesem Bereich zu unterbinden.

Die gleichzeitig mit dem Übereinkommen Nr. 189 verabschiedete Empfehlung Nr. 201 betreffend menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte, konkretisiert die Bestimmungen des Übereinkommens und bietet eine Orientierungshilfe sowie konkrete Anleitungen zur wirksamen Umsetzung des Übereinkommens.

Der Schutz der Hausangestellten in der Schweiz

Gemäss der Verfassung der ILO sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, sich innerhalb eines Jahres zu neu verabschiedeten Konventionen zu äussern und zu entscheiden, ob und welche Massnahmen sie zu deren Umsetzung zu ergreifen beabsichtigen (Art. 19 Abs. 5 ILO-Verfassung ).

Der Bundesrat hat nun im August 2013 die Botschaft zum Übereinkommen Nr. 189 sowie seinen Bericht über die Empfehlung Nr. 201 vorgestellt. Darin empfiehlt er die Ratifizierung des Abkommens durch die Schweiz. Die schweizerische Rechtsordnung erfülle die Vorgaben der Konvention und die Ratifizierung sei damit ohne Schaffung neuer oder Änderung bestehender gesetzlicher Bestimmungen möglich. Das Abkommen bedeutet seiner Meinung nach einen wichtigen Schritt in Richtung Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt und zur Verringerung der Einkommensunterschiede, sind doch auch in der Schweiz überwiegend Frauen aus benachteiligten Verhältnissen im Hauswirtschaftssektor tätig.

Im Weiteren ist für den Bundesrat die Ratifizierung aus Gründen der internationalen Solidarität angezeigt. Die Schweiz könnte damit innerhalb der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) ihre positive Erfahrung mit der Sozialpartnerschaft einbringen.

Die 21 Kantone, die sich im Rahmen der fachtechnischen Befragung zur Konvention geäussert haben, unterstützen die Ansicht des Bundesrates und sprachen sich für die Ratifikation aus; ebenso die Arbeitnehmerseite. Lediglich die Arbeitgeberseite stellte sich in der Konsultation gegen die Ratifizierung.

Neuere Bemühungen zum Schutz von Hausangestellten in der Schweiz

Der Bundesrat weist in seiner Botschaft darauf hin, dass die Schweiz im internationalen Vergleich über ein „sehr ausgefeiltes System“ zum Schutz der Hausangestellten verfüge. Gleichwertige Arbeitsbedingungen seien Hausangestellten durch das Obligationenrecht (Art. 319 ff. ) garantiert. Der 2010 für drei Jahre abgeschlossene und nun für weitere drei Jahre verlängerte Normalarbeitsvertrag (NAV) für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Hauswirtschaft garantiert Hausangestellten, worunter auch Angestellte zur Mithilfe bei der Betreuung von Kindern, Betagten und Kranken fallen, verbindliche Mindestlöhne. Ergänzt wird der nationale NAV durch die kantonalen Normalarbeitsverträge im Bereich Hauswirtschaft und Betreuung. Der Bundesrat weist schliesslich auch auf die 2011 erlassene Verordnung über die privaten Hausangestellten (PHV) hin. Diese regelt (im Sinne von Ziff. 26 Abs. 4 der Empfehlung 201) die Einreise-, Aufenthalts- und Arbeitsbedingungen für die privaten Hausangestellten des Personals von diplomatischen Missionen, ständigen Missionen, konsularischen Posten und internationalen Organisationen, deren Situation sich in der Vergangenheit als besonders prekär und verletzlich herausgestellt hat.

Herausforderungen

Der Bundesrat weist in seiner Botschaft (Kommentar zu Art. 17, S. 6956) auf die heute lediglich in beschränktem Ausmass bestehenden Möglichkeiten der Behörden hin, die Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen bei privaten Arbeitgebenden zu kontrollieren. In diesem Bereich stehen seiner Meinung nach Massnahmen im Vordergrund, wie sie in Ziffer 21 der Empfehlung Nr. 201 aufgelistet sind: Einrichtung einer innerstaatlichen Hotline, ein System für Vorabbesuche der Haushalte, die Entwicklung eines Netzwerks von Notunterkünften, eine Sensibilisierung der Arbeitgeberseite für ihre Pflichten durch Bereitstellen von Informationen, die Sicherstellung des Zugangs von Hausangestellten zu Beschwerdemechanismen sowie die Möglichkeit für Hausangestellte, Rechtsmittel sowohl während als auch nach der Beschäftigung zu ergreifen, und schliesslich die Einrichtung eines öffentlichen Beratungsdienstes, um Hausangestellte in einer Sprache, die sie verstehen, über ihre Rechte zu informieren.

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