Artikel

Europarat/EGMR

Zulässigkeitsvoraussetzungen zugänglich aufbereitet

Abstract

Die grosse Mehrheit der Klagen am Europ. Gerichtshof für Menschenrechte erfüllt die Kriterien nicht. Deshalb hat der Europarat nun einen Leitfaden und eine Checkliste herausgegeben.

Autor: Andreas Kind

Publiziert am 01.02.2012

Bedeutung für die Praxis:

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Flut unzulässiger Beschwerden

Die überwiegende Mehrzahl der beim EGMR eingereichten Beschwerden scheitert an den Zulässigkeitsvoraussetzungen. Die Gerichtsstatistik für das Jahr 2010 bringt dies in aller Deutlichkeit zum Ausdruck: 84% aller Beschwerden wurden in jenem Jahr für unzulässig erklärt. An der Ministerkonferenz der 47 Europarats-Mitgliedsstaaten in Interlaken im Februar 2010 wurde die chronische Überlastung des Gerichtshofs aufgrund der grossen Anzahl unzulässiger Beschwerden schwerpunktmässig thematisiert und in einer Deklaration der Wille zur Besserung manifestiert. Zwei jüngst publizierte Hilfsmittel des Gerichtshofs zeugen von dessen Bestrebungen, die Zulässigkeitsvoraussetzungen möglichst verständlich darzustellen, um dadurch die Anzahl unzulässiger Beschwerden zu einer entlastenden Reduktion zu führen.

Leitfaden zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen

Im Dezember 2010 publizierte der EGMR einen Leitfaden zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen auf Englisch und Französisch. Seit Oktober 2011 ist dieser Leitfaden nun auch in deutscher Sprache auf der Webseite des Gerichtshofs abrufbar. Die englische Version wurde zudem mittlerweile aktualisiert (Stand März 2011). Es handelt sich um ein 90 Seiten starkes Dokument, das sich in erster Linie an Praktiker/innen wendet. Detailliert dargestellt werden etwa die Frage, wer eine Beschwerde einreichen kann (Opfereigenschaft), die Voraussetzung der Erschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzuges, die Beschwerdefrist sowie die sachliche Zuständigkeit des Gerichtshofs in Bereichen, in welchen er besonders häufig angerufen wird (etwa das Konzept der ‚civil rights' gemäss Art. 6 EMRK und die Bedeutung des Begriffs des ‚Privat- und Familienlebens‘ nach Art. 8 EMRK.

Diesem Leitfaden soll dann in einer späteren Phase ein vereinfachtes Dokument, das sich an ein breiteres Publikum richten wird, folgen.

Zulässigkeitscheckliste

Potentielle Beschwerdeführer können sich seit neuestem auch auf der Webseite des EGMR durch eine interaktive Zulässigkeitscheckliste („admissibility checklist“) klicken. Eine Sprachwahl ist bei der Checkliste bis dato noch nicht möglich, sie ist einzig auf Englisch verfügbar. Dafür sind die Eckdaten des Falles (Land und Datum) einzugeben und eine Reihe von Fragen mit Yes oder No zu beantworten. Die Checkliste hat zum Ziel, potentielle Beschwerdeführende zu einem möglichst frühen Zeitpunkt auf grundlegende Zulässigkeitsmängel aufmerksam zu machen. In dieser Hinsicht fungiert sie als eine erste grobe Vorselektion. Klickt man sich erfolgreich bis ans Ende, wird empfohlen, sich vor Einreichung einer Beschwerde an eine Anwältin oder einen Anwalt zu wenden.

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