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Eingetragene Partnerschaft muss auch gleichgeschlechtlichen Paaren offen stehen

EGMR-Urteil Vallianatos und andere gegen Griechenland vom 7. November 2013 (Beschwerden Nr. 29381/09 und 32684/09)

Abstract

Autorin: Brigitte Schnegg

Publiziert am 11.12.2013

Bedeutung für die Praxis:

  • Das Institut einer eingetragenen Partnerschaft ausschliesslich für heterosexuelle Paare verletzt das Diskriminierungsverbot.
  • Es besteht ein gesamteuropäischer Trend hin zur rechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaft.
  • Mit Blick auf die rechtliche Situation in der Schweiz wirft das Urteil die Frage auf, ob die eingetragene Partnerschaft, welche heterosexuellen Paaren nicht offen steht, mit den Vorgaben des EGMR in Einklang steht.

Sachverhalt

2008 hat Griechenland mit der eingetragenen Partnerschaft erstmals eine staatlich anerkannte Partnerschaft neben der Ehe eingeführt. Diese steht aber nur Personen in einer heterosexuellen Beziehung offen – gleichgeschlechtliche Paare sind ausgeschlossen.

Die Beschwerdeführer, mehrere homosexuelle Paare, erhoben gegen dieses Gesetz Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Sie machen eine Verletzung ihres Rechts auf Privat- und Familienleben (Artikel 8) zusammen mit einer ungerechtfertigten Diskriminierung (Artikel 14) von homosexuellen Paaren geltend.

Urteil

Der EGMR bestätigt im Urteil vom 7. November 2013 zunächst seine Rechtsprechung, wonach das Zusammenleben gleichgeschlechtlicher Paare in den Anwendungsbereich von Artikel 8 fällt (vgl. Schalk und Kopf gg. Österreich). Durch den Ausschluss homosexueller Paare – welche in gleicher Weise wie heterosexuelle Paare ein Bedürfnis haben, ihr Zusammenleben zu legalisieren – von der eingetragenen Partnerschaft werden diese aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ungleich und damit diskriminierend behandelt. Eine solche Ungleichbehandlung muss durch besonders überzeugende und gewichtige Gründe gerechtfertigt werden. Die von Griechenland vorgebrachten Rechtfertigungsgründe, namentlich den Schutz ausserehelicher Kinder, akzeptiert der Gerichtshof nicht. Der Schutz ausserehelich geborener Kinder hätte auch erreicht werden können, wenn der Anwendungsbereich der eingetragenen Partnerschaft auch auf gleichgeschlechtliche Paare ausgedehnt worden wäre. Ausserdem bestehe ein gesamteuropäischer Trend hin zur rechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare. Einzig Griechenland und Litauen würden gleichgeschlechtlichen Paaren keine anerkannte Partnerschaft gewähren. Folglich verletzt der Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare von der eingetragenen Partnerschaft Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8.

Folgen für die Schweiz

Die Schweiz kennt seit Inkrafttreten des Partnerschaftsgesetzes (PartG) am 1. Januar 2007 die eingetragene Partnerschaft. Diese steht aber – in der genau umgekehrten Konstellation zu Griechenland – gemäss Art. 2 Abs. 1 PartG nur Personen gleichen Geschlechts offen. Die Botschaft zum PartG begründet die Eingrenzung auf gleichgeschlechtliche Paare mit dem Hinweis, dass heterosexuellen Paaren die Ehe offen steht und daher weder ein Bedarf nach einer Alternative bestehe, noch die verfassungsmässig zu schützende Ehe konkurrenziert werden soll (BBl 2003 1288, 1310). Es ist fraglich, ob diese Begründung des Bundesrates, der keine objektiven Gründe für eine Andersbehandlung von heterosexuellen Paaren zugrunde liegen, den Ausschluss heterosexueller Paare von der eingetragenen Partnerschaft im Sinne der Rechtsprechung des EGMR rechtfertigen kann. Ohne objektive Gründe für die Ungleichbehandlung müsste das Institut der eingetragenen Partnerschaft gegenüber allen Paaren unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung geöffnet werden.

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