Artikel

Bekämpfung des Menschenhandels

Evaluation der Schweiz durch internationale Experten: Bestandsaufnahme und kritische Rückmeldung zu den im Kampf gegen den Menschenhandel bereits unternommenen Schritten

Abstract

Autorin: Johanna Probst

Publiziert am 08.12.2015

Zusammenfassung:

  • Die Expertengruppe des Europarates für die Bekämpfung des Menschenhandels (GRETA) hat am 14.10.2015 ihren Evaluationsbericht zur Umsetzung des Übereinkommens zur Bekämpfung des Menschenhandels durch die Schweiz veröffentlicht.
  • Menschenhandel stellt eine Verletzung der Menschenrechte dar, die nach Palermo-Protokoll und Artikel 182 des Schweizerischen Strafgesetzbuches verboten ist.
  • Die GRETA zieht hinsichtlich der von den Schweizer Behörden im Kampf gegen den Menschenhandel unternommenen Bemühungen eine durchzogene Bilanz.
  • Sie stellt kantonale Unterschiede bei der Bekämpfung des Menschenhandels und insbesondere bei der Betreuung der Opfer fest.
  • Der Bereich des Menschenhandels zur Ausbeutung der Arbeitskraft ist kaum erforscht und wird von der Schweizer Politik vernachlässigt.
  • Eine von der Koordinationsstelle gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel (KSMM) in Auftrag gegebene Studie über den Menschenhandel zur Ausbeutung der Arbeitskraft wird Anfang 2016 erscheinen.

Der Menschenhandel (nachfolgend «MH»), in den Medien auch «moderne Sklaverei» genannt, kommt bekanntermassen in fast allen Ländern vor. Es handelt sich dabei um eine Form der grenzüberschreitenden Kriminalität, da MH in den meisten Fällen mit transnationaler Migration einhergeht. Es gibt mehrere Instrumente des internationalen und regionalen Rechts, die den MH verbieten und die Unterzeichnerstaaten dazu verpflichten, MH zu bekämpfen. Die Schweiz hat sie alle ratifiziert und einen Artikel in ihr Strafgesetzbuch (StGB) aufgenommen, in dem der MH in all seinen Formen unter Strafe gestellt wird.

Menschenhandel nach der Definition der Vereinten Nationen

Das Verbot des MH ist im Palermo-Protokoll festgehalten, dem «Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität» (Palermo-Konvention). Das Palermo-Protokoll trat im Dezember 2003 in Kraft und wurde bisher von 168 Staaten einschliesslich der Schweiz ratifiziert. Im Sinne dieses Protokolls «bezeichnet der Ausdruck ‹Menschenhandel› die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die Gewalt über eine andere Person hat, zum Zweck der Ausbeutung. Ausbeutung umfasst mindestens die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit oder Zwangsdienstbarkeit, Sklaverei oder sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Entnahme von Organen.» Gemäss dieser Definition liegt MH vor, wenn drei Elemente vereint sind:

  • eine Handlung, die für sich allein nicht strafbar ist (Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme);
  • ein Mittel, das schon an sich strafbar ist (Androhung oder Anwendung von Gewalt, anderen Formen der Nötigung);
  • ein Ziel (Ausbeutung).

Beim letzten Element werden drei Formen unterschieden: die Ausbeutung der Arbeitskraft, die sexuelle Ausbeutung und die Ausbeutung durch Organentnahme. Da Kinder zu einer besonders schutzbedürftigen Gruppe gehören, wird der Kinderhandel manchmal als eine eigenständige Form von MH betrachtet, obschon die drei Formen der Ausbeutung auch beim Kinderhandel vorkommen. Durch die Nennung der Frauen und der Kinder in seinem Titel («[…] Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels») gesteht das Protokoll diesen beiden Gruppen einen besonderen Status zu.

Gemäss Europarat eine Menschenrechtsverletzung

Die europäischen Länder treten meistens als Ziel- oder Transitländer, manchmal aber auch als Herkunftsländer der Opfer von MH in Erscheinung. Um den Kampf gegen MH zu fördern und zu verstärken hat der Europarat das Übereinkommen zur Bekämpfung des Menschenhandels verfasst, das am 1. Februar 2008 in Kraft getreten ist. Dieses Übereinkommen betrachtet MH in erster Linie als eine Verletzung der Menschenrechte und einen Verstoss gegen die Würde und die Unversehrtheit des Menschen (S. 5 des Evaluationsberichts der GRETA). Es zielt darauf ab, die Prävention und den Opferschutz zu verstärken, der Nachfrage entgegenzuwirken und die Strafverfolgung der Menschenhändler/innen zu fördern; dabei setzt es auf internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit.

Die Umsetzung des Europarat-Übereinkommens wird von der Expertengruppe des Europarates für die Bekämpfung des Menschenhandels, der GRETA (Group of Experts on Action against Trafficking in Human Beings), überwacht. Sie nimmt regelmässig Bewertungen der Länder vor, die das Übereinkommen ratifiziert haben. Die Schweiz hat dieses 2012 ratifiziert und es trat für sie am 1. April 2013 in Kraft. Während der vergangenen zwei Jahre wurde sie ihrer ersten Evaluation durch die GRETA unterzogen. Nach der Beantwortung eines Fragebogens wurde die Schweiz im Herbst 2014 von der Expertengruppe besucht. Bei dieser Gelegenheit wurden – nebst vielen anderen Akteuren – auch Vertreter/innen des SKMR befragt. Basierend auf den erhaltenen Informationen verfasste die GRETA einen ersten Berichtsentwurf, der den Schweizer Behörden zur Stellungnahme vorgelegt wurde. Die Kommentare der Schweizer Behörden wurden berücksichtigt und die GRETA veröffentlichte am 14. Oktober 2015 den endgültigen Bericht, wobei die Kommentare der Schweizer Behörden diesem endgültigen Bericht als Anhang beigefügt wurden.

Menschenhandel in der Schweiz: eine Bestandsaufnahme

MH steht in der Schweiz nach Artikel 182 StGB unter Strafe: «Wer als Anbieter, Vermittler oder Abnehmer mit einem Menschen Handel treibt zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, der Ausbeutung seiner Arbeitskraft oder zwecks Entnahme eines Körperorgans, wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft.» Das Schweizerische Strafgesetzbuch enthält keine eigentliche Definition des Begriffs «Menschenhandel» und übernimmt die im Palermo-Protokoll erwähnten Handlungen und Mittel nicht. Die drei anerkannten Formen des MH werden hingegen explizit aufgeführt.

Verschiedene ergänzende Bestimmungen sind in anderen Gesetzen und Verordnungen (AuG, VZAE, OHG, StPO, ZeugSG usw.) enthalten und ermöglichen den Schutz der Opfer und der Zeuginnen und Zeugen, die Strafverfolgung der Täter/innen und die Umsetzung von Präventionsmassnahmen. So bietet beispielsweise das Ausländergesetz die Möglichkeit, den Aufenthalt von Opfern von MH abweichend von den Zulassungsvoraussetzungen zu regeln (Artikel 30) sowie eine Rückkehr- und Wiedereingliederungshilfe zu gewähren (Artikel 60).

Verschiedene Expertinnen und Experten sind sich darin einig, dass es sich beim MH um einen Straftatbestand handelt, dessen Verfolgung in der Realität oft schwierig ist. Der Bundesanwalt und die Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz (KSBS) haben 2013 eine Empfehlung über die Zusammenarbeit im Bereich der Verfolgung von komplexer Kriminalität, insbesondere von Menschenhandel, verabschiedet. Für die Strafverfolgungsbehörden ist MH schwierig nachzuweisen, da die Opfer nicht immer bereit oder in der Lage sind, auszusagen und die Täter/innen oft nicht identifiziert werden können. Seit seinem Inkrafttreten am 1. Dezember 2006 (vorher war lediglich MH zwecks sexueller Ausbeutung nach Artikel 195 StGB verboten) kam es zu 84 Verurteilungen wegen Verstosses gegen Artikel 182 StGB (gemäss Strafurteilsstatistik). Zahlreiche Expertinnen und Experten vermuten jedoch, dass die Dunkelziffer bei den Fällen von MH gross und die Aufdeckung und Verfolgung dementsprechend lückenhaft ist. Um mehr über das Phänomen MH zu erfahren und dieses in der Schweiz besser bekämpfen zu können, wurde 2012 ein zweijähriger Nationaler Aktionsplan lanciert. Seine Umsetzung wurde von der wichtigsten Schweizer Plattform gegen den MH, der KSMM (Koordinationsstelle gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel) koordiniert.

Da über MH nur wenig bekannt ist, gab die KSMM 2013 eine Machbarkeitsstudie in Auftrag, die aufzeigen sollte, wie das Ausmass von MH in der Schweiz verlässlich festgestellt werden kann. Diese Studie wurde vom SKMR durchgeführt und unter dem Titel «Les caractéristiques et l’ampleur de la zone d’ombre de la traite d’êtres humains en Suisse» (Eigenschaften und Ausmass des Dunkelfeldes im Bereich Menschenhandel in der Schweiz) (Bader und D'Amato 2013) veröffentlicht. Darin wird festgestellt, dass gewisse Formen von MH besser bekannt sind und häufiger verfolgt werden als andere: Beim überwiegenden Teil der aufgedeckten Fälle handelte es sich um MH zwecks sexueller Ausbeutung. Während angenommen wird, dass MH zwecks Organentnahme in der Schweiz kaum eine Rolle spielt, wird in der Studie darauf hingewiesen, dass der MH zur Ausbeutung der Arbeitskraft wahrscheinlich häufiger vorkommt, als die Anzahl der bisher aufgedeckten und strafrechtlich verfolgten Fälle vermuten lässt. Die Autorin und der Autor bezweifeln, dass eine verlässliche Schätzung der Anzahl der Opfer möglich ist, schlagen aber Studien vor, mit denen der eine oder andere Aspekt des Phänomens besser beleuchtet werden könnte. Daraufhin hat die KSMM 2014 eine Studie zum Thema MH zur Ausbeutung der Arbeitskraft in Auftrag gegeben, deren Publikation für Anfang 2016 vorgesehen ist.

Über das Ausmass und die Eigenschaften des MH in der Schweiz und insbesondere über den MH zur Ausbeutung der Arbeitskraft liegen somit bislang noch kaum empirische Daten vor. Dennoch bekommen die Opferhilfeorganisationen und die Strafverfolgungsbehörde jährlich Kenntnis von einer bestimmten Anzahl von Fällen, was beweist, dass der MH auch in der Schweiz existiert und eine koordinierte politische Antwort erfordert. Zur seiner Bekämpfung empfehlen die internationalen Expertinnen und Experten den so genannten «4-P-Ansatz»: Prevention, Protection, Prosecution and Partnership – Verhütung, Schutz (der Opfer), Verfolgung (der Täter) und Partnerschaft (zwischen den zuständigen Stellen auf nationaler oder internationaler Ebene).

Die GRETA zieht eine durchzogene Bilanz

In ihrem Evaluationsbericht würdigt die GRETA die Anstrengungen, welche die Schweizer Behörden seit dem Inkrafttreten des Europarat-Übereinkommens zur Bekämpfung des Menschenhandels unternommenen haben. Sie begrüsst vor allem einige grössere Fortschritte: die Gründung der KSMM im Jahr 2003, das Unter-Strafe-Stellen jeglicher Form von MH im Jahr 2006, den 2012 verabschiedeten Nationalen Aktionsplan sowie die Einführung von Runden Tischen und Kooperationsmechanismen in den meisten Kantonen. Einige wenige Lücken werden bei der internationalen Zusammenarbeit und der Eindämmung der Nachfrage festgestellt. Diesbezüglich beschränkt sich die GRETA darauf, die Schweizer Behörden aufzufordern, ihre Bemühungen fortzusetzen. Kritisiert werden hingegen die Opferidentifizierung, die Koordination innerhalb und zwischen den Kantonen sowie die Formulierung der grundlegenden juristischen Konzepte.

Kantonale Unterschiede

Viele Bemerkungen der GRETA betreffen die kantonalen Unterschiede, die auf den Vollzugsföderalismus zurückzuführen sind. Aufgrund dieses – für nicht schweizerische Beobachter/innen oft schwer verständlichen – Prinzips ist die Umsetzung der Bundesgesetzgebung zum MH Sache der Kantone. In ihren Kommentaren rechtfertigen die Schweizer Behörden den Umstand, dass der Kampf gegen den MH in einigen Kantonen weniger weit fortgeschritten ist, mit dem Föderalismusprinzip und den Besonderheiten dieser Kantone. Dennoch bedauert die GRETA, dass einige Kantone keinen Koordinationsmechanismus eingerichtet haben und dass ein formales, in der ganzen Schweiz zur Anwendung kommendes Verfahren zur Opferidentifizierung fehlt. GRETA weist auch auf die kantonalen Unterschiede hinsichtlich der Betreuung der Opfer nach ihrem Entrinnen aus der Ausbeutungssituation hin. Sie ermahnt die Schweizer Behörden sicherzustellen, dass alle Opfer von MH einwandfrei identifiziert werden und die Unterstützung und Massnahmen in Anspruch nehmen können, die im Übereinkommen vorgesehen sind (S. 59). Ein weiterer Kritikpunkt der GRETA stellt der Ausbildungsstand der Personen dar, die beruflich mit (potentiellen) Opfern von MH zu tun haben: Dieser unterscheide sich von Kanton zu Kanton und von einer Berufsgruppe zu anderen beträchtlich.

Lücken in der Gesetzgebung

Die GRETA äussert auch einige Kritiken an der Schweizer Gesetzgebung zum MH. Sie wünscht sich, dass einige Punkte expliziter genannt würden. Eine Änderung in diesem Sinne würde bedeuten, dass die Formulierung in Artikel 182 StGB in einigen Aspekten stärker an die Definition des Palermo-Protokolls angelehnt würde. So bedauert die GRETA

  • das Fehlen einer Aufzählung der Mittel, welche die Täter/innen anwenden können, um die Ausbeutung der Opfer zu erzwingen;
  • das Fehlen einer Aufzählung der verschiedenen Arten von Ausbeutung, die im Palermo-Protokoll genannt werden (Zwangsarbeit oder Zwangsdienstbarkeit, Sklaverei oder sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft);
  • das Fehlen einer ausdrücklichen Erwähnung des Grundsatzes der Straffreiheit der Opfer (d. h. der Möglichkeit, Opfern von MH für die erzwungene Teilnahme an illegalen Aktivitäten Straffreiheit zu gewähren, S. 60);
  • das Fehlen eines expliziten Hinweises darauf, dass das Einverständnis des Opfers für die Erfüllung eines Tatbestands nach Art. 182 StGB unerheblich ist.

In ihren Kommentaren machen die Behörden die GRETA darauf aufmerksam, dass der Schweizer Gesetzgeber tendenziell pauschale Formulierungen vorzieht, um den Anwendungsbereich eines Gesetzesartikels durch eine Aufzählung nicht unnötig einzuschränken. Zudem merken sie an, dass der Grundsatz der Straffreiheit im Schweizer Straffrecht bereits an anderer Stelle festgehalten ist und eine weitere Erwähnung redundant wäre. Was das Fehlen eines expliziten Hinweises auf die Unerheblichkeit des Einverständnisses des Opfers betrifft, so verweisen die Schweizer Behörden zum einen auf die vorbereitenden Arbeiten, wo festgehalten ist, dass die Einwilligung der Betroffenen die Anwendbarkeit von Art. 182 StGB nicht ausschliesst (Bundesblatt 2005 2807, S. 2834), und zum anderen darauf, dass dies durch die Rechtsprechung des Bundesgerichts auch bestätigt wurde (Kommentare der Schweizer Behörden im Anhang zum Evaluationsbericht der GRETA, S. 3).

Menschenhandel zur Ausbeutung der Arbeitskraft, ein vernachlässigter Bereich

Den verschiedenen Empfehlungen und Bemerkungen der GRETA ist eine allgemeine Kritik zu entnehmen: Bei der Bekämpfung des MH in der Schweiz würden zwei seiner Formen vernachlässigt, nämlich der Kinderhandel und der MH zur Ausbeutung der Arbeitskraft. Diese letzte Feststellung entspricht im Übrigen den Ergebnissen der oben erwähnten Machbarkeitsstudie (Bader und D’Amato 2013). Dass die Vernachlässigung dieser beiden Formen von MH die Besorgnis der GRETA erregt, ist in ihren Bemerkungen erkennbar. Die GRETA fordert die Schweizer Behörden nämlich auf

  • der KSMM die erforderlichen Mittel zuzuteilen, damit die Arbeitsgruppe, die sich mit der Ausbeutung der Arbeitskraft befasst, ihre aus Mangel an finanziellen Mitteln unterbrochene Aufgabe erfolgreich zu Ende führen kann;
  • darauf zu achten, dass die Arbeitsgruppe zum Kinderhandel regelmässige Treffen durchführt (S. 57);
  • Unterstützungs- und Beherbergungsstrukturen für Männer einzurichten (die häufiger Opfer von Ausbeutung der Arbeitskraft als von sexueller Ausbeutung sind und für die bisher keine spezifischen Strukturen bestehen);
  • den Begriff «Zwangsarbeit» in den Artikel 182 StGB aufzunehmen;
  • die Bevölkerung insbesondere für den Kinderhandel und die Ausbeutung der Arbeitskraft stärker zu sensibilisieren;
  • sicherzustellen, dass die Statistiken über den MH nach der Art der Ausbeutung getrennt ausgewertet werden können.

In ihren Kommentaren erwidern die Schweizer Behörden, dass der Kinderhandel in der Schweiz ein äusserst marginales Problem sei, und verweisen auf eine von UNICEF veröffentlichte Studie aus dem Jahr 2007. Zudem führen sie an, dass die für seine Bekämpfung erforderlichen Massnahmen dennoch getroffen wurden.

Was den MH zur Ausbeutung der Arbeitskraft betrifft, so scheinen die Schweizer Behörden den Standpunkt der GRETA zu teilen und zeigen sich empfänglich für die diesbezüglichen Empfehlungen. Zurzeit erwartet die KSMM die Ergebnisse der laufenden Studie über die Ausbeutung der Arbeitskraft. Gestützt darauf wird sie entscheiden, welche Massnahmen zu treffen sind, um diese spezifische Form von MH – die für die Rechtsexpertinnen und -experten sowie für Fachleute aus der Praxis gleichermassen eine Herausforderung darstellt – besser zu erfassen.

Fazit

Der MH geniesst eine starke Medienpräsenz, obschon sein Ausmass und die verschiedenen Formen generell noch kaum bekannt sind. Dies gilt insbesondere für bestimmte Wirtschaftssektoren, in denen mehrere Indizien darauf hinweisen, dass Fälle von schwerwiegender Ausbeutung vorkommen. Unannehmbare Arbeitsbedingungen deckt die Polizei oft bei Kontrollen auf, bei denen der rechtmässige Aufenthalt der Arbeitenden überprüft wird. Allerdings wird nur selten eine Untersuchung wegen MH eröffnet. Es ist zwar richtig, dass der Bereich der Prostitution besonders von MH betroffen ist, allerdings wird den Strafverfolgungsbehörden und der Zivilbevölkerung zunehmend bewusst, dass schwerwiegende Ausbeutung potenziell auch in anderen Bereichen stattfindet. Da es sich beim MH um ein Delikt handelt, welches meist nur aufgedeckt wird, wenn man spezifisch danach sucht, hängt die Anzahl der aufgedeckten Fälle zum Teil auch von den eingesetzten Ressourcen ab.

Die Fokussierung auf den Bereich der sexuellen Ausbeutung hat historische Gründe: Vor 2006 stand in der Schweiz lediglich diese Form von MH unter Strafe. Durch ihre explizite Nennung in seinem Titel weist das Palermo-Protokoll Frauen und Kindern einen Sonderstatus zu. Die Ausbeutung von erwachsenen Männern bleibt hingegen weitgehend im Schatten. Dies zeigt sich auch in der Schweizer Politik zur Bekämpfung des MH, die zahlreiche Massnahmen zur Erkennung und Betreuung der Opfer von MH zur sexuellen Ausbeutung eingeführt hat, zum Beispiel die Ausbildung der Fachleute und die Einführung von Kooperationsmechanismen. Obschon es sich um ähnliche Erscheinungen handelt, werden für die Bekämpfung des MH zur Ausbeutung der Arbeitskraft nicht unbedingt dieselben Kompetenzen und Strukturen benötigt wie zur Bekämpfung des MH zur sexuellen Ausbeutung. Ein Mangel an Bemühungen, auch andere Formen von MH als derjenigen zur sexuellen Ausbeutung zu bekämpfen, wurde auch im Evaluationsbericht der GRETA konstatiert.

Hinsichtlich des Ziels, mehr über den MH in der Schweiz zu erfahren und ihn besser zu bekämpfen, wurden wichtige Fortschritte erzielt. Die Konfrontation mit einer so komplexen und sich ständig wandelnden Erscheinung wie dem Menschenhandel fordert von allen beteiligten Akteuren einen unermüdlichen Einsatz und eine optimale Zusammenarbeit.

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